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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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war.«
    »Auch das ist eine deiner positiven Eigenschaften. Du bist bescheiden. Das Zusammensein mit dir hat mir verdeu t licht, was Julian für ein Mensch ist. Er wollte nicht mi t kommen, weil er befürchtete, es könnte unbequem werden. Es hätte seine Arbeit gestört. Außerdem glaube ich, dass er Angst hatte. Mir ist bewusst geworden, dass er zu jenen Menschen zählt,
    die nichts riskieren, solange nicht von vornherein feststeht, dass sie gewinnen. Du hingegen würdest das Unmögliche versuchen.«
    Tom empfand nun ein Schwindelgefühl. Er strengte sich an, um bei Sinnen zu bleiben. Sallys Worte gefielen ihm.
    Sie legte ihm mit einem traurigen Lächeln eine Hand auf den Brustkorb. »Schade, dass die Zeit uns davonläuft.«
    Tom legte ihr eine Hand aufs Haar. »Was für ein beschi s sener Ort, um sich zu verlieben ...«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Vielleicht in einem anderen Leben ...« Er riss sich zusammen, um nicht den Halt in der Wirklichkeit zu verlieren. »Vielleicht haben wir irgendwo noch mal eine Chance ...« In seinem Kopf ging alles durcheinander. Was wollte er noch mal sagen? Er schloss die Augen und versuchte, g e gen den Schwindel anzugehen, doch vor ihm war nur ein grünbrauner Wirrwarr. Er fragte sich kurz, ob alles vie l leicht nur ein Traum war: die Krebserkrankung seines V a ters, die Reise, der Dschungel, Sally, sein im Sterben liege n der Bruder. Ja, nun wurde es ihm klar. Es war tatsächlich ein Traum gewesen, ein langer, bizarrer Traum. Er würde gleich in seinem Bett aufwachen, wieder ein kleiner Junge sein und seinen Vater aus dem ersten Stock rufen hören: »Guten Morgen, guten Morgen -der neue Tag vertreibt die Sorgen!«
    Mit diesem Gedanken sank er glücklich ins Vergessen zurück.

46
     
    Marcus Hauser saß auf einem Campinghocker im Türra h men der Tempelruine und blickte in den Morgen hinaus. Ein Tukan hüpfte kreischend in einem Baum in der Nähe herum und schüttelte seinen riesigen Schnabel. Es war ein prächtiger Tag, der Himmel hellblau, der Dschungel ein gedämpftes Grün. Hier in den Bergen war es kühler, und die Luft wirkte frischer. Der Duft einer unbekannten Blüte wehte an ihm vorbei. Hauser hatte ein Gefühl von zurüc k kehrendem Frieden. Hinter ihm lag eine lange Nacht. Er fühlte sich ausgelaugt, leer und enttäuscht.
    Schritte ließen den Blätterteppich rascheln. Ein Soldat brachte ihm das Frühstück - Speck, Eier, Kaffee, gebratene Bananen - auf einem emaillierten Teller. Die Portion war sogar mit irgendeinem Kraut garniert. Hauser balancierte den Teller auf den Knien. Die Garnierung passte ihm nicht, also schnippte er sie fort. Dann griff er nach der Gabel und begann zu essen. Seine Gedanken galten den Ereignissen der vergangenen Nacht. Es war Zeit gewesen, die Sache mit dem Häuptling voranzutreiben oder aufzugeben. Er hatte zwar schon nach zehn Minuten gewusst, dass er den Willen des alten Burschen nicht brechen würde, aber aufgegeben hatte er nicht. Es war wie beim Betrachten pornograph i scher Filme: Man konnte sie nicht abschalten, aber am Ende verwünschte man die Zeit und die Energie, die man mit ihnen vergeudet hatte. Hauser hatte sich wirklich Mühe gegeben. Er hatte sein Bestes getan. Nun musste er sich eine andere Lösung für sein Problem einfallen lassen.
    Zwei Soldaten tauchten im Türrahmen auf. Die Leiche hing schlaff zwischen ihnen. »Was sollen wir mit ihm machen, Jefe?«
    Hauser wies ihnen mit der Gabel die Richtung, denn er hatte den Mund voller Ei. »In die Schlucht.«
    Sie gingen hinaus, und er setzte sein Frühstück fort, bis zum letzten Bissen. Die Weiße Stadt war groß und überwuchert. Max konnte fast überall bestattet worden sein. Das Problem bestand darin, dass die Indianer nun so aufg e bracht waren, dass keine große Chance bestand, sich eine neue Geisel zu holen und die Lage der Gruft aus ihr he r auszupressen. Andererseits hatte Hauser keine Lust, in den nächsten zwei Wochen selbst in den von Ratten wimmel n den Ruinen herumzugraben.
    Er beendete seine Mahlzeit, kramte in seinen Taschen und zog einen schlanken Aluminiumbehälter hervor. Nach einer Minute war dem Ritual Genüge getan: die Zigarre brannte. Hauser inhalierte tief und spürte die beruhigende Wirkung des sich von seiner Lunge in seinem Körper ausbreitenden Nikotins. Es ließ sich jedes Problem in Optionen und U n teroptionen zerlegen. Er hatte zwei: Er konnte die Gra b kammer allein ausfindig machen oder sie von jemand au f spüren lassen. Wenn er sie

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