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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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in einem engen Kreis herum, streckte die Beine durch und zündete seine Pfeife an. »Es würde mir gar nicht gefallen, wenn der Lippi Hauser in die Hände fiele.«
    Eine kühle, erheitert klingende Stimme drang plötzlich an ihre Ohren.
    »Na, so was ... Hat da gerade jemand meinen Namen genannt?«

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    Hauser sprach leise und besänftigend. Seine Waffe war auf sie gerichtet; sie konnte bei der kleinsten Bewegung losg e hen. Die drei Brüder und der Indianer saßen vor der off e nen Grabkammer und wandten sich zu ihm um. In ihren Augen stand bla n kes Entsetzen.
    »Machen Sie sich nicht die Mühe aufzustehen. Am besten bewegen Sie überhaupt nichts - außer den Lidern.« Hauser hielt inne. »Freut mich, dass Sie sich erholt haben, Philip. Der affektierte kleine Blödmann mit der lächerlichen Bru y ere-Pfeife, der vor zwei Monaten in mein Büro gestiefelt kam, hat sich ganz gut gemacht.«
    Er machte einen lässigen Schritt nach vorn und blieb wieder stehen. Er war bereit, sie bei der geringsten Bewegung abzuknallen. »Wie nett von Ihnen, mich zur Gruft zu fü h ren. Und Sie haben auch noch die Tür für mich geöffnet! Sehr zuvorkommend. Hören Sie jetzt genau zu: Wenn Sie meinen Anweisungen folgen, wird keinem etwas passi e ren.«
    Er musterte die vier Gesichter. Keiner verfiel in Panik; keiner schien darauf erpicht, den Helden zu spielen. Er hatte es mit vernünftigen Menschen zu tun. Dann sagte er so le i se und freundlich wie möglich: »Jemand soll dem Indianer sagen, er soll Pfeil und Bogen ablegen. Aber langsam und vorsichtig -und ohne plötzliche Bewegu n gen.«
    Borabay nahm den Köcher und den Bogen ab und ließ beides vor sich auf den B o den fallen.
    »Er versteht also Englisch. Gut. Nun bitte ich Sie alle, nacheinander die Macheten aus der Scheide zu ziehen und auf den Boden zu legen. Sie zuerst, Philip. Bleiben Sie si t zen.«
    Philip zog seine Machete und ließ sie fallen.
    »Vernon?«
    Vernon tat es ihm gleich. Dann folgte Tom.
    »Nun möchte ich, dass Sie zu Ihren abgelegten Rucksä c ken hinübergehen, Philip. Bringen Sie sie her. Aber schön langsam.« Hauser vollführte eine Bewegung mit der Mü n dung seines Schießeisens.
    Philip sammelte die Rucksäcke ein und legte sie Hauser zu Füßen ab.
    »Ausgezeichnet! Jetzt leeren wir unsere Hosentaschen. Stülpt sie heraus und lasst sie draußen. Lasst alles vor euch auf den Boden fallen.«
    Alle gehorchten. Hauser war überrascht, als er feststellte, dass sie - im Gegensatz zu seiner Annahme - auch nicht den kleinsten Gegenstand aus der Grabkammer ei n gesteckt hatten.
    »Jetzt steht ihr auf. Alle zusammen, gleichzeitig, und zwar in Zeitlupe. Gut! Jetzt bewegt ihr die Beine von der Kniescheibe abwärts und macht klitzekleine Schrit t chen. Und wehe, ihr haltet die Arme nicht still. Geht da hinter. Bleibt zusammen. Ja, so. Ein Schritt nach dem anderen.«
    Als sie auf diese lächerliche Weise nach hinten schlurften, trat Hauser vor. Wie es für Menschen in Gefahr - und speziell für Angehörige einer aus nächster Nähe mit einer Schusswaffe bedrohten Familie - typisch war, zogen alle den Kopf ein. Hauser hatte dergleichen schon gesehen. Das machte es ihm erheblich leichter.
    »Alles ist in bester Ordnung«, sagte er leise. »Ich habe nicht vor, jemanden zu ve r letzen. Ich bin nur auf Max' Grabbeigaben aus. Ich bin Profi, und wie die meisten Profis halte ich nichts vom Töten.« Stimmt. Sein Finger liebkoste die glatte Kuns t stoffkrümmung des Abzugs, fand den Druckpunkt und schob ihn langsam in Schnellfeuerposit i on. Jetzt hatte er die Broadbents, wo er sie haben wollte. Jetzt kon n ten sie nichts mehr tun. Sie waren so gut wie tot.
    »Keinem wird etwas zuleide getan.« Er konnte einfach nicht dagegen an - er musste es einfach hinzufügen: »Keiner wird auch nur das Geringste spüren.« Er übte nun wirklich Druck aus, fühlte das kaum wahrnehmbare Nachgeben des Abzugs, das er so gut kannte; die Millisekunde der En t spannung nach dem Ertasten des Widerstandes. Gleichze i tig sah er am Rand seines Blickfeldes eine rasche Bew e gung. Vor seinen Augen zuckten Blitze auf, er fiel hin und feuerte im Sturz wild um sich. Die Kugeln prallten von den Felswänden ab. Bevor Hauser auf dem Steinboden landete, konnte er einen flüchtigen, erschreckenden Blick auf das werfen, was da über ihn gekommen war.
    Das Etwas war geradewegs aus der Gruft gefegt. Es war halb nackt, sein Gesicht so weiß wie eine Vampirfratze. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Es

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