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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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haben. Er saß wie vom Donner gerührt da und verarbeitete Ocotals Worte.
    »Sie werden auch mich umbringen«, fuhr Ocotal fort.
    »Wissen Sie das genau?«
    Ocotal nickte.
    Philip dachte panisch über das Gehörte nach. War Ocotal vertrauenswürdig? Konnte er ihn missverstanden haben? Warum sollte Hauser ihn umbringen? Um das Erbe zu ste h len? Es war nicht auszuschließen. Hauser war kein Ehre n mann. Philip sah aus den Augenwinkeln, dass die Soldaten noch immer Karten spielten. Ihre Gewehre waren an einen Baum gelehnt. Andererseits kam es ihm unfassbar vor. Er spielte doch nicht in einem Film mit. Hauser würde doch eine Million Dollar verdienen. Man brachte doch nicht so einfach Menschen um - oder? »Was haben Sie vor?«
    »Ein Boot zu stehlen und abzuhauen. Mich im Sumpf zu verstecken.«
    »Meinen Sie jetzt?«
    »Wollen Sie warten?«
    »Aber die Soldaten sind doch gleich da drüben. Wir kommen hier nie weg. Was haben die Soldaten gesagt, dass Sie das glauben? Vielleicht war es ja nur ein Missverständnis.«
    »Hören Sie mal, Sie Pfeife«, zischte Ocotal. »Wir haben ke i ne Zeit. Ich haue jetzt ab. Wenn Sie mitkommen wollen, kommen Sie mit. Wenn nicht: Adiós.«
    Er stand lässig auf und schlenderte zum Strand, wo die Einbäume an Land lagen. Philip riss den Blick panisch von ihm los und musterte die Soldaten. Sie spielten noch immer Karten, ahnten nichts. Von dort aus, wo sie saßen, unter einem Baum, konnten sie die Boote nicht sehen.
    Was sollte er tun? Er war wie gelähmt. Man hatte ihm o h ne Warnung oder Vorbereitung eine monumentale En t scheidung aufgehalst. Es war verrückt. Konnte Hauser so kaltblütig sein? Oder plante Ocotal hier irgendein schräges Ding?
    Ocotal ging nun am Strand entlang, wobei er einen beiläufigen Blick auf die Bäume warf. Er stand an einem Boot, und es sah ganz so aus, als sei er im Begriff, es ganz lässig mit dem Knie ins Wasser zu schieben.
    Es ging alles viel zu schnell. Im Grunde hing es davon ab, was für ein Mensch Hauser war. War er wirklich zu einem Mord fähig? Na schön, besonders nett war er nicht. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Philip fiel plötzlich ein, mit welchem Vergnügen Hauser den Agouti geköpft hatte; das Lächeln auf seinem Gesicht beim Anblick des Blutflecks auf seinem Hemd. Wie er gesagt hatte: Das kriegen Sie noch früh genug raus.
    Ocotal hatte das Boot nun ins Wasser geschoben. Er ging mit einer geschmeidigen Bewegung an Bord, griff gleichze i tig nach der Stake und bereitete sich aufs Abstoßen vor.
    Philip stand auf ging schnell zum Strand hinunter. Ocotal hatte sich schon vom Ufer gelöst, die Stake stand im Wa s ser; er war bereit, das Boot in den Seitenarm zu stoßen. Er hielt gerade so lange inne, dass Philip ins Wasser waten und an Bord klettern konnte. Dann stieß er die Stake mit einer kräftigen Anspannung seiner Muskeln in den sand i gen Boden und schob sie lautlos in den Sumpf hinein.

26
     
    Am nächsten Morgen war es mit dem schönen Wetter vo r bei. Wolken sammelten sich. Ein Gewitter rüttelte die Baumwipfel. Es goss wie aus Eimern. Als Tom und die a n deren aufbrachen, war die Oberfläche des Flusses grau und schäumte unter der Wucht des Wolkenbruchs. Das Ra u schen des auf die Vegetation fallenden Regens war ohre n betäubend. Das Labyrinth aus Seitenarmen, dem sie fol g ten, schien immer schmaler und gewundener zu werden. Tom hatte noch nie ein so dichtes und undurchdringliches Sumpfgebiet gesehen. Er konnte kaum glauben, dass Don Alfonso wusste, welchen Weg sie nehmen mussten.
    Am Nachmittag hörte der Regen plötzlich auf, als hätte jemand einen Hahn abgedreht. Das Wasser lief noch ein paar Minuten an den Baumstämmen herab und erzeugte einen Lärm wie ein Wasserfall. Der ganze Dschungel wirkte du n stig, tröpfelnd und still.
    »Die Insekten sind wieder da«, sagte Sally und schlug um sich.
    »Jejenes, Schwarzfliegen«, sagte Don Alfonso. Er zündete seine Pfeife an und umgab sich mit einer stinkenden blauen Wolke. »Sie holen sich ein Stück von Ihrem Fleisch. Sie bi l den sich aus dem Atem des Teufels, nachdem er einen A bend lang schlechten Aguardiente getrunken hat.«
    Manchmal wurde ihr Weg von Schlingpflanzen und über der Erde wachsenden Wurzeln blockiert, die von oben he r abwucherten und einen dichten Vorhang aus Vegetation bildeten. Sie hingen bis auf die Wasseroberfläche. Pingo machte wieder die Vorhut und hackte sie mit seiner Mach e te ab, während Chori hinten stakte. Jeder Machetenhieb ließ Schwärme von

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