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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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Glanz war ve r schwunden. Er war tot.
    Vernon starrte von Grauen geschüttelt vor sich hin. Er brachte kein Wort heraus. Tom legte eine Hand auf die Schulter seines Bruders und merkte, wie er zitterte. Es war ein garstiger Tod gewesen.
    Auch Don Alfonso war schwer erschüttert. »Wir müssen weiter«, sagte er. »Ein böser Geist ist gekommen und hat den Mann mitgenommen, obwohl er nicht gehen wollte.«
    »Bereiten Sie eines der Boote für die Rückreise vor«, sagte Tom zu Don Alfonso. »Pingo soll Vernon nach Brus bri n gen, bevor wir weiterfahren. Falls Sie keine Einwände h a ben.«
    Don Alfonso nickte. »Es ist besser so. Der Sumpf ist kein Ort für Ihren Bruder.« Er rief Chori und Pingo Anweisu n gen zu. Die nicht weniger entsetzten Männer machten sich an die Arbeit. Sie waren froh, dass sie verschwinden kon n ten.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Vernon. »Er war ein so guter Mensch. Wie konnte er nur so sterben?«
    Nach Toms Ansicht war Vernon ständig Schwindlern aufgesessen - finanziell, gefühlsmäßig und spirituell. Doch jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, dies zur Sprache zu bringen. »Manchmal meint man, jemanden genau zu ke n nen«, sagte er, »aber in Wirklichkeit kennt man ihn nicht.«
    »Ich habe drei Jahre an seiner Seite verbracht. Ich habe ihn wirklich gekannt. Es muss am Fieber gelegen haben. Er war im Delirium, nicht bei Sinnen. Er wusste nicht, was er r e det.«
    »Lass ihn uns begraben und verschwinden.«
    Vernon machte sich an die Arbeit, ein Grab auszuheben. Tom und Sally halfen ihm dabei. Sie rodeten einen kleinen Platz hinter dem Lager, durchtrennten mit Choris Axt Wurzeln und gruben sich in den darunter befindlichen B o den. Nach zwanzig Minuten hatten sie im harten Lehmb o den eine niedrige Grube ausgehoben. Sie trugen den toten Lehrer zu seinem Grab, legten ihn hinein und bedeckten ihn mit einer Lehmschicht. Anschließend füllten sie das Grab mit glatten Steinen vom Flussufer. Don Alfonso, Chori und Pingo waren bereits in den Booten. Sie waren ung e duldig und wollten ablegen.
    »Alles in Ordnung mit dir?« Tom legte einen Arm um seinen Bruder.
    »Ich habe einen Entschluss gefasst«, sagte Vernon. »Ich fahre nicht zurück. Ich komme mit euch.«
    »Vernon, wir haben schon alles vorbereitet.«
    »Wohin soll ich denn zurückkehren? Ich bin pleite. Ich hab nicht mal ein Auto. Und in den Ashram kann ich b e stimmt nicht mehr.«
    »Dir fällt schon was ein.«
    »Mir ist schon was eingefallen: Ich komme mit.«
    »Dein Zustand erlaubt nicht, dass du mitkommst. Du bist da draußen beinahe draufgegangen.«
    »Das ist etwas, das ich tun muss«, sagte Vernon. »Ich bin jetzt wieder auf dem Damm.«
    Tom zögerte. Er fragte sich, ob Vernon wirklich wieder in Ordnung war.
    »Bitte, Tom.«
    In Vernons Stimme schwang eine so inständige Bitte mit, dass Tom Überraschung empfand. Außerdem war er, wenn auch widerwillig, ein wenig stolz. Er packte Vernon an der Schulter. »In Ordnung. Wir machen es zusammen. So, wie Vater es gewollt hat.«
    Don Alfonso klatschte in die Hände. »Was ist jetzt? Brechen wir nun auf?«
    Tom nickte, und Don Alfonso gab den Befehl zum Abl e gen.
    »Jetzt, da wir zwei Boote haben«, sagte Sally, »stake ich ebenfalls.«
    »Pah! Staken ist Männerarbeit!«
    »Sie sind ein Sexistenschwein, Don Alfonso.«
    Don Alfonsos Stirn runzelte sich. »Ein Sexistenschwein? Was ist das für ein Tier? Oder war das gerade eine Beleidigung?«
    »Das kann man wohl sagen«, sagte Sally.
    Don Alfonso stakte kräftig los. Sein Boot glitt voran. Er grinste. »Dann freue ich mich. Es ist immer eine Ehre, wenn man von einer schönen Frau beleidigt wird.«
    28
     
    Marcus Aurelius Hauser untersuchte die weiße Vorderseite seines Hemdes und entdeckte einen kleinen Käfer, der sich mühsam hinaufkämpfte. Er zupfte ihn ab, zerquetschte ihn mit einem ihn zufriedenstellenden Knacken des Chitinpanzers zwischen Daumen und Zeigefinger und warf ihn weg. Dann fiel seine Aufmerksamkeit auf Philip Broadbent. Von seiner Durchtriebenheit und Blasiertheit war nichts mehr übrig. Philip hockte, an Händen und Füßen gefesselt, am Boden. Er war verdreckt, von Mücken zerstochen und unrasiert. Es war einfach nicht zu fassen, wie manche Me n schen ihre Hygiene im Dschungel vernachlässigten.
    Hauser warf einen Blick an die Stelle, an der drei seiner Soldaten den Führer Orlando Ocotal festhielten. Ocotal ha t te ihm beträchtlichen Ärger bereitet. Beinahe wäre ihm die Flucht gelungen. Hauser hatte das nur

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