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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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gefesselt und die Beine locker zusamme n gebunden.
    Hauser klappte das kleine Messer auf und schärfte die Klinge mit einem schnellen ssing, sssing an einem Wet z stein. Dann prüfte er sie an seinem Daumen und lächelte. Schließlich streckte er den Arm aus und ritzte einen langen Schnitt in Ocotals Brustkorb. Er durchschnitt den Stoff se i nes Hemdes ebenso wie die darunter liegende Haut. Der Schnitt war nicht tief, doch das Blut fing schon an zu fließen und färbte den Khakistoff schwarz.
    Der Indianer zuckte nicht einmal zusammen.
    Hauser verpasste ihm einige leichte Schnitte an den Schultern, dann zwei weitere auf den Armen und dem Rücken. Der Indianer rührte sich noch immer nicht. Hauser war beeindruckt. Seit er gefangene Vietcong verhört hatte, war ihm ein solches Durchhaltevermögen nicht mehr untergekommen.
    »Das Blut soll ruhig eine Weile fließen«, sagte er zu den Soldaten.
    Sie warteten ab. Ocotals Hemd wurde dunkel vom Blut. Irgendwo zwischen den Bäumen krähte ein Vogel.
    »Werft ihn rein.«
    Die drei Soldaten gaben Ocotal einen Schubs, und er ging über Bord. Nach dem Aufklatschen entstand ein Moment der Ruhe, dann schäumte das Wasser auf. Zuerst langsam, dann mit zunehmender Erregung, bis der Tümpel förmlich kochte. In dem braunen Wasser wimmelte es von wie Si l bermünzen schimmernden Fischen. Dann bildete sich eine rote Wolke und machte es undurchsichtig. Khakifetzen und Fleischstreifen stiegen an die Oberfläche hinauf und dü m pelten auf dem aufgewühlten Nass.
    Das Blubbern dauerte gute fünf Minuten, dann ließ es nach. Hauser war erfreut. Er wandte sich um, um Philips Reaktion zu sehen und sich an ihr zu ergötzen.
    Er wurde nicht enttäuscht.
     

29
     
    Tom und seine Gruppe reisten drei Tage lang mitten durch das Sumpfgebiet. Sie durchfuhren ein Netz aus Kanälen, lagerten auf Schlamminseln, die kaum höher waren als der Wasserspiegel, und kochten, da Chori kein frisches Wild aufspürte, über qualmendem Feuer aus feuchtem Holz Bohnen und Reis. Trotz des endlosen Regens war der Wa s serstand gesunken und ließ voll gesogene Baumstämme sehen, die es zu zerlegen galt, bevor sie weiterfahren kon n ten. Und ständig begleitete sie ein bösartig summender Schwärm von Schwarzfliegen.
    »Ich glaube, ich fange jetzt doch mit dem Pfeiferauchen an«, sagte Sally. »Bevor ich das aushalte, sterbe ich lieber an Krebs.«
    Don Alfonso zog mit einem triumphierenden Lächeln se i ne Ersatzpfeife aus der Tasche. »Sie werden sehen. Wer raucht, führt ein langes und gesundes Leben. Ich rauche schon seit über hundert Jahren.«
    Aus dem Dschungel drang ein dumpfes Geräusch, wie von einem hustenden Menschen. Es war nur lauter und langsamer.
    »Was war das?«
    »Ein Jaguar. Ein hungriger Jaguar.«
    »Erstaunlich, was Sie alles über den Wald wissen«, meinte Sally.
    »Ja.« Don Alfonso seufzte. »Aber heutzutage will niemand mehr etwas über den Wald lernen. Meine Enkel und Ure n kel interessieren sich nur noch für Fußball und diese dicken weißen Schuhe, in denen einem die Füße verfaulen - die mit dem Vogel an der Seite, die in der Fabrik in San Pedro Sula hergestellt werden.« Er deutete mit dem Kinn auf die Sch u he, die Tom anhatte.
    »Nike?«
    »Ja. In der Nähe von San Pedro Sula gibt es ganze Dörfer, in denen den Jungs die Füße verfaulen und von den Beinen abfallen, weil sie diese Dinger tragen. Nun müssen sie mit Holzbeinen herumlaufen.«
    »Das ist doch gar nicht wahr.«
    Don Alfonso schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge. Das Boot fuhr nun durch einen Li a nenvorhang, den Pingo mit seiner Machete verhackstückte. Vor ihnen sah Tom eine sonnige Stelle, einen von oben he r abfallenden Lichtstrahl. Als sie sich auf ihn zubewegten, stellte er fest, dass dort kürzlich ein riesiger Baum umg e stürzt war. Er hatte im Blätterbaldachin eine Lücke hinte r lassen. Der Stamm lag quer im Kanal und blockierte ihnen den Weg. Es war der größte, den er bisher gesehen hatte.
    Don Alfonso murmelte eine Verwünschung. Chori nahm seine Pulaski und sprang vom Bug auf den Stamm. Seine nackten Füße saugten sich an der schlüpfrigen Oberfläche fest, und er schlug auf den Stamm ein, dass die Späne nur so flogen. Nach einer halben Stunde hatte er ihn so weit eingekerbt, dass die Boote weitergleiten konnten.
    Alle stiegen aus und fingen an zu schieben. Hinter dem Stamm wurde das Wasser plötzlich tiefer. Tom, dem es bis an die Taille reichte, bemühte sich, nicht an die

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