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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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ihm wie ein Wasserfall. Sie sä u berte die Bisse an seinem Arm und rieb sie mit einem in Alkohol getränkten Läppchen ein. Sein Hemd war über dem Ellbogen abgerissen, auf seinem Arm waren tiefe Ke r ben. Blut quoll hervor.
    »Vernon ...?«
    »Ihm geht's gut«, sagte Sally. »Don Alfonso kümmert sich um ihn. Er hat nur etwas Wasser geschluckt und einen b ö sen Biss in den Schenkel abgekriegt.«
    Tom machte einen Versuch, sich hinzusetzen. Sein Arm brannte mörderisch. Die Schwarzfliegen umschwärmten ihn schlimmer denn je, und er atmete das Getier bei jedem Luftholen ein. Sally legte ihm eine Hand auf den Brustkorb und schob ihn sanft nach hinten. »Nicht bewegen.« Sie zog an ihrer Pfeife, blies ihn mit dem Qualm an und ve r scheuchte so die Mücken.
    »Was für ein Glück, dass Anakondas nur winzige Zähnchen haben.« Sally rieb ihn ein.
    »Autsch.« Tom legte sich hin und musterte den sich über ihm bewegenden Blätterbaldachin. Nirgendwo war ein Stückchen freien Himmels zu sehen. Die Blätter deckten alles zu.

30
     
    An diesem Abend lag Tom in der Hängematte und pflegte seinen bandagierten Arm. Vernon hatte sich gut erholt und ging Don Alfonso fröhlich bei der Zubereitung irgendeines unbekannten Vogels zur Hand, den Chori fürs Abendessen erlegt hatte. Im Innern des Unterstandes war es stickig, trotz der hochgerollten Seiten.
    Tom hatte Bluff erst vor dreißig Tagen verlassen, aber ihm kam es wie eine Ewigkeit vor. Seine Pferde, die roten Sandsteinfelsen vor dem blauen Himmel, der alles überflutende Sonnenschein und die über den Hügeln von San Juan kre i senden Adler ... All dies schien dem Leben eines anderen Mannes zu entstammen. Es war eigenartig ... Er war mit seiner Verlobten Sarah nach Bluff gezogen. Sie war eine Pferdenärrin und hielt sich ebenso gern in der Natur auf wie er. Doch dann hatte Bluff sich als zu ruhig für sie e r wiesen, und eines Tages hatte sie ihre Klamotten in den Wagen gepackt und war gegangen. Da Tom kurz zuvor einen hohen Bankkredit aufgenommen hatte, um seine Tierarztpraxis aufzubauen, war ihm ein Rückzieher unmö g lich gewesen. Er hatte es auch nicht gewollt. Nach Sarahs Abreise war ihm klar geworden, dass er Bluff gewählt hä t te, falls er sich zwischen ihr und dem Ort hätte entscheiden müssen. Das war zwei Jahre her. Seither hatte er keine B e ziehung gehabt. Er redete sich ein, dass er keine brauchte. Er redete sich ein, dass das ruhige Leben und die schöne Landschaft im Moment für ihn reichten. Die Praxis machte eine Menge Arbeit, auch wenn er kaum etwas verdiente. Er war zwar der Meinung, dass er einer lohnenswerten Täti g keit nachging, aber es war ihm nie gelungen, diese Seh n sucht loszuwerden, die er für die Paläontologie empfand: die Spannung, im Fels eingeschlossene Knochen von gro ß artigen Dinosauriern zu suchen. Vielleicht hatte sein Vater ja Recht gehabt. Vielleicht hätte er im Alter von zwölf Jahren über diesen Ehrgeiz hinauswachsen sollen.
    Tom drehte sich in der Hängematte. Sein Arm pochte. Er warf Sally einen Blick zu. Die Trennwand war hochgerollt, damit die Luft besser zirkulierte. Sie lag in ihrer Hängema t te und las eines der Bücher, die Vernon mit auf die Reise genommen hatte. Es hieß »Utopia«. Utopia. Genau das ha t te er in Bluff zu finden gehofft. Aber in Wirklichkeit war er vor etwas davongelaufen - zum Beispiel vor seinem Vater.
    Tja, aber jetzt lief er nicht mehr vor ihm davon.
    Im Hintergrund rief Don Alfonso Chori und Pingo Anweisungen zu. Bald trieb der Duft bratenden Fleisches durch die Hütte. Tom schaute Sally an und beobachtete sie beim Lesen. Sie blätterte die Seiten um, strich ihr Haar zurück, seufzte, las die nächste Seite. Auch wenn sie eine echte Nervensäge war -sie war schön.
    Sally legte das Buch beiseite. »Was gucken Sie denn so?«
    »Ist das Buch gut?«
    »Ausgezeichnet.« Sie lächelte. »Wie geht's Ihnen?«
    »Bestens.«
    »Wie Sie Vernon gerettet haben ... Indiana Jones hätte es nicht besser hinkriegen können.«
    Tom zuckte die Achseln. »Na ja, ich schau doch nicht zu, wie so eine Schlange meinen Bruder frisst.« Eigentlich hatte er nicht darüber reden wollen. »Erzählen Sie mir doch mal was über Ihren Verlobten, diesen Professor Clyve.«
    »Tja ...« Sally lächelte nachdenklich. »Ich bin nach Yale gegangen, um bei ihm zu studieren. Er ist mein Doktorv a ter. Wir sind ... Tja, wer würde sich nicht in Julian verli e ben? Er ist brillant. Nie werde ich den Tag vergessen, an dem wir uns

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