Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
Vom Netzwerk:
Streifen und flocht sie zu Hängema t ten zusammen. Von den Anweisungen, die er erteilt hatte, einmal abgesehen, war er bisher schweigsam gewesen.
    »Was waren das für Soldaten?«, fragte Tom.
    Don Alfonso stellte seine Tätigkeit an den Hängematten nicht ein. »Es waren die Soldaten, die mit Ihrem Bruder Philip den Fluss heraufgekommen sind.«
    »Philip würde nie zulassen, dass man uns angreift«, sagte Vernon.
    »Nein«, sagte Tom. Er hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Vielleicht war es in Philips Expedition zu einer Meuterei gekommen oder es war sonst was pa s siert. Jedenfalls musste Philip ernstlich in Gefahr sein - falls er überhaupt noch lebte. Der unbekannte Feind konnte kein anderer sein als Hauser. Er hatte die beiden Polizisten in Santa Fe getötet und für ihre Festnahme in Brus gesorgt. Er steckte sicher auch hinter dem gerade erfolgten Angriff.
    »Die Frage ist nur«, sagte Sally, »ob wir weitergehen oder umkehren.«
    Tom nickte.
    »Es wäre Selbstmord, wenn wir weitergingen«, meinte Vernon. »Wir haben doch nichts mehr - keinen Proviant, keine Kleidung, keine Zelte, keine Schlafsäcke.«
    »Philip ist vor uns«, sagte Tom. »Und er ist in Schwierigkeiten. Es dürfte wohl klar sein, dass Hauser es war, der die Morde an den beiden Polizisten in Santa Fe veranlasst hat.«
    Stille.
    »Vielleicht sollten wir umkehren und mit neuer Ausr ü stung zurückkommen. So, wie es jetzt aussieht, können wir ihm nicht helfen, Tom.«
    Tom musterte Don Alfonso, der sich konzentriert als Flechter betätigte. Die aufgesetzt neutrale Miene des Gre i ses sagte ihm, dass er eine Meinung zu dieser Frage hatte. Er sah immer so aus, wenn er mit etwas nicht einversta n den war. »Don Alfonso?«
    »Ja?«
    »Was sagen Sie dazu?«
    Don Alfonso legte die Hängematte nieder und rieb sich die Hände. Dann blickte er Tom in die Augen. »Dazu habe ich nichts zu sagen. Allerdings habe ich etwas anzumerken, das auf Tatsachen basiert.«
    »Und das wäre?«
    »Hinter uns liegt ein tödliches Sumpf gebiet, in dem das Wasser täglich weiter sinkt. Wir haben kein Boot. Es wird mindestens eine Woche dauern, eines zu bauen. Aber wir können keine Woche am gleichen Platz bleiben, weil die Soldaten uns dann nämlich finden. Außerdem ist der Bau eines Einbaums mit Rauch verbunden, den jeder sehen kann. Deswegen müssen wir in Bewegung bleiben, zu Fuß, durch den Dschungel, in Richtung Sierra Azul. Wenn wir umkehren, sterben wir. So viel zu meinen Tatsachen.«

34
     
    Marcus Hauser saß am Feuer auf einem Baumstamm. Zw i schen seinen Zähnen steckte eine Churchill. Er nahm gerade seine Steyr AUG auseinander. Es war zwar nicht nötig, aber für Hauser war eine sich wiederholende körperliche Tätigkeit fast so etwas wie Meditation. Das Gewehr bestand hauptsächlich aus ausgezeichnet fabriziertem Kunststoff, und das gefiel ihm. Er zog den Spannhebel zurück, packte die Griffschale, nahm den linken Daumen zu Hilfe und drückte den Verschlussriegel herunter. Dann drehte er den Lauf im Uhrzeigersinn und zog ihn nach vorn. Er rutschte mit zufrieden stellender Leichtigkeit heraus.
    Hin und wieder warf Hauser einen Blick in den Wald, in dem Philip angebunden war. Aber er vernahm keinen Laut. In den Morgenstunden hatte er einen Jaguar brüllen hören. Das Gebrüll hatte Frustration und Hunger signalisiert, aber Hauser wollte nicht, dass sein Gefangener aufgefressen wurde - jedenfalls nicht, bevor er nicht wusste, wohin der alte Max sich gewendet hatte. Hauser warf noch etwas Holz ins Feuer, um die Dunkelheit und den umherschleichenden Jaguar zu verscheuchen. Rechts von ihm floss der Río M a caturi am Lagerplatz vorbei. Er erzeugte leise plätschernde und strudelnde Geräusche. Es war zur Abwechslung mal eine wunderschöne Nacht. Am samtenen Himmel leucht e ten Sterne, die sich als matt tanzende Lichter auf der Wa s seroberfläche spiegelten. Es war fast zwei Uhr morgens,
    doch Hauser gehörte zu den Glücklichen, denen vier Stunden Schlaf pro Nacht reichten.
    Er schob einen weiteren Ast ins Feuer, um mehr Licht zu haben, dann ließ er den Verbindungsbolzen aus dem Verschlussgehäuse gleiten. Seine Hand streichelte behutsam die glatten Teile aus Kunststoff und Metall - die einen w a ren warm, die anderen kalt - und genoss den Geruch des Waffenöls sowie das Klicken der von fachmännischer Hand fabrizierten, sich voneinander lösenden Teile. Noch ein paar geübte Bewegungen, und das Gewehr würde in seine sechs Hauptteile zerlegt

Weitere Kostenlose Bücher