Der Codex
vor ihm liegen. Er nahm jedes Teil in die Hand, untersuchte es, reinigte es und fuhr mit den Händen darüber. Dann setzte er die Waffe wieder zusa m men. Er arbeitete langsam, fast wie im Traum: Hier gab es keine Hetzerei wie im Ausbildungslager.
Hauser vernahm ein leises Geräusch: das Quietschen der zurückkehrenden Boote. Das Unternehmen war abgeschlossen, die Männer kamen pünktlich zurück. Hauser freute sich. Nicht mal ein halbgescheiter Trupp honduranischer Soldaten konnte einen so simplen Auftrag vermasseln.
Oder doch? Er sah den Einbaum, der sich aus dem dun k len Leib des Flusses materialisierte. Doch an Bord befanden sich keine fünf Soldaten, sondern nur drei. Hauser beobac h tete sie mit einem klammen Gefühl in der Brust. Das Boot legte an dem langen Findling an, der ihnen als Landesteg diente. Zwei Männer sprangen heraus. Vom Feuer erhellte Gestalten bewegten sich vor der Dunkelheit und halfen dem dritten Mann an Land. Er ging mit steifen Schritten. Hauser hörte ein von Schmerzen kündendes Stöhnen. Drei Männer - und er hatte fünf ausgeschickt.
Hauser schob die Kolbenplatte hinein, ließ den Montageblock einfahren und drehte die Gehäuseklappe nach links. Er arbeitete nach Gefühl, denn sein Blick war auf die G e stalten gerichtet, die sich nun dem Lagerfeuer näherten. Die Männer kamen ihm verlegen und nervös vor. Einer der Soldaten stützte seinen verwundeten Kameraden. Ein m e terlanger Pfeil hatte den Oberschenkel des Mannes durc h schlagen. Das gefiederte Ende ragte an der anderen Seite heraus, die entblößte Metallspitze vorn. Sein Hosenbein war zerrissen und steif vom getrockneten Blut.
Die Männer standen wortlos da, schauten mehr oder w e niger zu Boden und scharrten mit den Füßen. Hauser wa r tete ab. Die Ungeheuerlichkeit seines Fehlers - diesen Le u ten zuzutrauen, einen absolut simplen Auftrag zu erledigen - war nun offensichtlich. Er baute das Gewehr weiter z u sammen, drehte den Lauf wieder an Ort und Stelle und schob mit einem Klicken das Magazin ein. Dann wartete er wieder ab. Die Waffe ruhte auf seinen Knien. In seinem Herzen war ein eisiges Gefühl.
Die Stille wurde langsam unerträglich. Jemand musste nun etwas sagen.
»Jefe ...«, setzte der Leutnant an. Hauser wartete auf seine Ausrede.
»Wir haben zwei von ihnen getötet, Jefe, und ihre Boote und Vorräte verbrannt. Ihre Leichen sind im Kanu.« »Wer sind die Toten?«, fragte Hauser nach einer Weile. Nervöses Schweigen. »Die beiden Tawahka-Indianer.« Hauser schwieg. Es war eine Katastrophe. »Der Alte, der bei ihnen ist, hat die Falle bemerkt, bevor wir das Feuer eröffnen konnten«, fuhr der Teniente fort. »Sie haben gewendet. Wir haben sie flussabwärts verfolgt, aber es ist ihnen gelungen, an Land zu gehen und im Dschungel zu verschwinden. Wir haben ihre Boote und Vorräte verbrannt. Als wir sie dann im Dschungel verfolgt haben, hat einer der Tawahka uns aufgelauert. Er hatte Pfeil und Bogen, und das war ziemlich schlimm für uns. Wir konnten ihn erst lokalisieren, nac h dem er zwei von uns erledigt und den dritten verwundet hatte. Dann haben wir ihn getötet. Sie wissen ja, wie diese Dschungelindianer sind, Jefe ... So leise wie ein Jaguar ...«
Seine Stimme klang elend. Seine Bewegungen zeugten von Nervosität. Der Mann, in dessen Bein der Pfeil steckte, stieß ein unfreiwilliges Stöhnen aus.
»Sie sehen also, Jefe, wir haben zwei getötet und die anderen ohne Vorräte in den Dschungel gejagt. Sie haben nichts mehr ... Sie werden bestimmt sterben ...«
Hauser stand auf. »Entschuldigen Sie, Teniente, aber di e ser Mann muss sofort behandelt werden.«
»Si, Señor.«
Mit dem Gewehr in der Hand legte Hauser den freien Arm um den Verwundeten und nahm ihn dem Soldaten ab, der ihn bislang gestützt hatte. Er beugte sich vor und sagte freundlich: »Komm mit. Ich kümmere mich um dich.«
Der Teniente wartete am Feuer. Er sah nicht fröhlich aus.
Hauser stützte den Mann und führte ihn vom Lagerfeuer fort. Der Soldat hinkte und stöhnte. Seine Haut war heiß und trocken. Er hatte Fieber.
»Sachte, sachte«, sagte Hauser. »Wir bringen dich da rüber und machen dich wieder heil.« Er führte ihn etwa fünfzig Meter in die Dunkelheit hinter dem Lagerfeuer hinein und bugsierte ihn auf einen Baumstamm. Der Mann wankte, stöhnte, doch mit Hausers Hilfe konnte er sich hinsetzen. Hauser nahm ihm die Machete ab.
»Bevor Sie den Pfeil herausschneiden, geben Sie mir einen Whiskey, Señor.« Der Mann winselte,
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