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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Tagen die Welt zusammengebrochen war, wieder einigermaßen aufzurichten.
Denn immer noch wartete sie auf eine Nachricht von Bernd, während sie
unerträgliche Momente der Depression und die Angst um den geliebten Menschen
durchlitt, der immer noch unter dem Verdacht stand, selbst kriminell geworden
oder womöglich sogar getötet worden zu sein. Aber wie hatte Marina »Honeypenny«
Hoffmann so schön gesagt? Die besten Momente im Leben sind die, in denen der
Schmerz nachlässt. Gemeinsam hofften sie auf genau diesen Moment, wenn Franz
Haderlein anrufen und Ute von Heesen die frohe Nachricht überbringen würde.
Aber bis dahin schickte Ute ihrem Bernd eine SMS nach der anderen auf sein Handy: Er solle doch bitte sofort nach Loffeld
kommen, wenn er wieder hier wäre, und von ihr aus könne er die gesamte Toilette
für sich haben, das wäre ihr jetzt auch egal.
    Am
liebsten hätte sie den weiteren Abend allein verbracht und sich im Kummer
vergraben. Mit Wein und Musik aus dem Baustellenradio. Aber da war ja noch
Honeypenny, und die kam auf die Idee, es wäre an der Zeit, etwas Verrücktes mit
Ute zu unternehmen, um ihre steife Einstellung zum Leben etwas aufzulockern.
Die Frauentruppe trank daraufhin einen Sekt auf die baldige Heimkunft eines
gewissen Bernd Schmitt und brach dann unter der resoluten Führung Honeypennys
in Richtung Bad Staffelstein auf. Auf der kurzen Fahrt zu ihrem Ziel heckten
sie dann, auch wieder unter der Federführung Honeypennys, ihren Plan aus. Nur
Ute von Heesen war nicht besonders begeistert und fand das ganze Vorhaben
einfach nur peinlich. Doch ihr Widerstand erlahmte schnell, denn die anderen
ließen ihr keine Chance. Da musste sie jetzt durch, ob sie wollte oder nicht.
    Es war
kurz vor neunzehn Uhr, als sie am Rondell der Thermenkasse vorstellig wurden.
Wunderbarerweise waren sie fast allein auf weiter Flur, da um diese Zeit die
regulären Kurgäste das Bad verließen, um sich dem Abendessen zu widmen. Wer
jetzt die Therme besuchte, kam in den Genuss fast leerer Schwimmbecken und
Saunabereiche. Gerade verließ eine letzte Gruppe gemischtgeschlechtlicher
älterer Herrschaften aus Schwabthal die Therme. Ihre Herkunft erkannte man an
dem Greisengeturtel, das typisch für Schwabthal ist, dem fränkischen Zentrum
für Beziehungsanbahnungen im höheren Alter. Seinen überregionalen Ruf verdankt
Schwabthal übrigens einer bekannten Lokalität, in der Seniorensingles
männlicher Herkunft bei eher einfach strukturierter musikalischer Unterhaltung
auf ein weibliches Pendant zu stoßen hoffen. Die sich dort ergebenden
Beziehungen sind allerdings nur noch platonischer Natur, denn der eine oder andere
der anwesenden Gigolos hat in seiner Jugend noch die Kaiserkrönung oder die
Erfindung des Buchdruckes miterlebt. Der kalkige Konvent ist in ganz
Oberfranken allgemein als das »Mumienschieben« von Schwabthal bekannt.
    Aber das
tangierte den Frauenausflug, der nun an der Kasse stand, nur peripher. Sie
hatten ohnehin etwas anderes im Sinn, als Männer anzugraben. Honeypenny, welche
die Riemenschneiderin im Arm trug, lächelte die Kassiererin unbedarft an, aber
deren Miene hatte sich bereits verdunkelt. Aus ihrer Haltung sprach die
absolute Missbilligung, der Habitus einer Amtsperson, die sich auf der guten
Seite der Macht wähnte. Edeltraut Häschner hatte Recht, Gesetz und die
Badeordnung auf ihrer Seite.
    »Das
Schwein da wollen Sie doch nicht etwa mit in die Therme nehmen?«, fragte sie
streng. »Tiere sind bei uns nicht erlaubt. Wenn Sie hier baden wollen, müssen
Sie zuallererst dieses … dieses Tier entsorgen!« Was diese Leute sich aber
auch immer einbildeten! Alles war hier schon einmal aufgetaucht: Hunde, Katzen,
sogar eine Frau mit einem Kakadu in einem Vogelbauer. Aber ein leibhaftiges
Ferkel, das hatte sie bisher noch nicht erlebt. Unglaublich, womit man sich
hier herumschlagen musste. Doch diesmal traf Edeltraut Häschner auf eine
ebenbürtige Gegnerin in Statur, Lebenserfahrung und Durchsetzungsvermögen. Denn
Honeypenny war vorbereitet, sie hatte einen Plan.
    »Nein, da
muss ein Irrtum vorliegen«, sagte Marina Hoffmann höflich und mit dem
entwaffnendsten Lächeln, das sie aufbieten konnte. »Wir haben einen Termin
wegen der Therapie, der Wellnessvorführung mit Riemenschneider.«
    Edeltraut
Häschner, Oberhaupt der Kassendamen der Therme Bad Staffelstein, glaubte, sich
verhört zu haben. »Was bitte? Was denn für eine Therapie? Und eine
Wellnessvorführung mit einem Ferkel?« Edeltraut

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