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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Häschner war entsetzt. Da
musste sogar ein ganz großer Irrtum vorliegen. Hektisch blätterte sie in ihrem
Plan für die Veranstaltungen im Bad. Den Namen Riemenschneider hatte sie doch
schon einmal gehört. War da nicht irgendwas mit Vierzehnheiligen? Da gab es
doch diesen antiken Holzschnitzer, der seine Machwerke in so ziemlich jeder
fränkischen Kirche verteilt hatte? Bestimmt besaß Vierzehnheiligen auch einen
Riemenschneider-Engel, oder war der Riemenschneider doch ein Maler aus Venedig
gewesen? Egal, die Damen waren bei ihr jedenfalls ganz sicher falsch. Sie
lächelte in der Überzeugung, den Grund der Ferkelverirrung herausgefunden zu
haben.
    »Meine
Damen, ich bin sicher, Sie wollten nach Vierzehnheiligen und dort den
Riemenschneider –«
    Doch Manuela
Rast unterbrach sie sofort und selbstbewusst. »Nein, wir sind hier schon ganz
richtig. Wir sind wegen der Therapie mit dem Ferkel hier. Wir sollen eine
Vorführung geben.«
    Ute von
Heesen versuchte sich derweil hinter Honeypennys breitem Kreuz unsichtbar zu
machen. Mein Gott, war das peinlich, was die hier abzogen!
    In
Edeltraut Häschner wuchs langsam das Gefühl, verarscht zu werden. »Eine
Vorführung? So so. Sie wollen also in unserer Therme, einem Zentrum für
Wellness und anerkannte Heilpraktiken, diesen Bakterienträger einschleppen.«
    Als sie
hörte, wie sie bezeichnet wurde, erschienen erste Unmutsfalten auf der Stirn
der an sich sehr geduldigen Riemenschneiderin.
    »Aber die
Methode ist völlig normal und anerkannt«, beeilte sich Manuela Rast zu
erklären. »Mit Delphinen wird das ja auch gemacht. Da fliegen Menschen sogar
auf die Keys nach Florida, um sich von einem Delphin therapieren zu lassen.«
    Edeltraut
Häschner spürte, wie sie nach und nach die Kontrolle über die Diskussion
verlor, war aber noch nicht zum Aufgeben bereit. »Von Delphinen, schön und gut.
Aber doch nicht von einem ganz ordinären Schwein!«, rief sie entsetzt.
    Riemenschneiders
Falten wurden noch tiefer, und ihre Äuglein blitzten. Ordinäres Schwein?
    Honeypenny
bemerkte, dass sich da ein Vulkan anschickte auszubrechen, also ging sie
umgehend zu Punkt zwei ihres Planes über: fachliche Verwirrung. Die Taktik
funktioniert gemeinhin so: Man kreiert einen Begriff, der in die fachliche
Terminologie des zu Verwirrenden passt, der allerdings nicht sofort als
willkürliche Wortschöpfung diagnostizierbar ist. Bei Fidibus war man damit
immer erfolgreich, warum also nicht auch bei Frau Häschner?
    »Das ist
kein ordinäres Ferkel, sondern ein Heilschwein.«
    Edeltraut
Häschners Augen schienen unter dem Eindruck des soeben Gehörten ihre Höhlen
verlassen zu wollen.
    »Schauen
Sie doch bitte noch einmal in Ihren Plan, Frau Häschner. Es geht um die
Therapie mit dem Heilschwein Riemenschneider«, sagte Honeypenny streng, während
Manuela Rast bekräftigend nickte. Ute von Heesen versteckte sich noch immer
hinter Honeypennys Rücken.
    »Womit?«,
fragte Edeltraut Häschner fassungslos.
    »Damit«,
antworteten Honeypenny und Manuela Rast unisono und deuteten auf
Riemenschneider, die die entsetzte Edeltraut nun bitterböse anblickte. Die Ohren
des Ferkels standen waagerecht ab, was für Insider der Hinweis darauf war, dass
sich Riemenschneider in angesäuerter Stimmung befand.
    Edeltraut
Häschner besaß für solche Details jedoch keine Antennen. Stattdessen war sie
sprachlos. Sie hatte ja schon alles an neumodischem Zeug erlebt, aber das hier
schlug dem Fass den Boden aus. Sie kannte Heilsteine, Schlammpackungen,
Räuchereien aller Art und von ihr aus auch Klangschalen aus dem Inneren der
Mongolei, aber von Heilschweinen hatte sie noch nie etwas gehört. Zu einer
Konversation über tierische Therapeuten momentan nicht fähig, griff sie nach
dem Hörer der internen Telefonanlage. Sie wählte die Nummer des
Chefbademeisters und schilderte ihm die Situation, woraufhin am anderen Ende
der Leitung eine kurze Pause entstand. Es folgte ein kurzer, heftiger
Wortwechsel, dann legte Edeltraut Häschners Gegenüber abrupt auf.
    »Herr
Zillig kommt gleich«, sagte sie noch immer verstört. »Wenn Sie mit Ihrem
Heilschwein vielleicht dort drüben warten wollen?« Mit einem giftigen Blick
deutete sie auf eine Polstergruppe im Eingangsbereich.
    »Danke
sehr«, erwiderte Honeypenny höflich, und alle begaben sich, so seriös es ging,
zur Sofaecke. Dort setzten sie sich im Kreis, und Riemenschneider wurde von
Honeypenny unter der Tischplatte geparkt, während diese mit Manuela Rast
fröhlich

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