Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
wieder leiser. »Wenn dich hier jemand rausschmeißt, dann bin ich das. Ich
bin der Wirt.« Noch einmal lachte er, aber diesmal mit Nachdenklichkeit im
Blick.
    »Du
scheinst ja wirklich was abbekommen zu haben, mein Guter«, sagte er. »Aber
jetzt erzähl mal, Skipper. Ich bin schon ganz gespannt.«
    Nachdem
er sich kurz gesammelt hatte, begann er seine unglaubliche Geschichte
wiederzugeben. »Das Erste, an das ich mich erinnere, ist ein großes Feuer und
kurz danach eine Explosion …«
    Ute von
Heesen legte das Handy auf die Seite und stützte den Kopf in ihre Hand. Bernd
war stinksauer. Wegen der Baustelle, wegen ihr und überhaupt wegen allem.
Jedenfalls würde er heute Abend mit Franz bei irgendeinem Baron zu Abend essen.
Sie hatte gar nicht gewagt zu fragen, ob sie vielleicht auch eingeladen sei. Es
war klar wie Kloßbrühe, dass er im Moment keine Begleitung durch sie wünschte.
Konnte es etwa sein, dass sie das mit dem Perfektionismus und der Bevormundung
ihm gegenüber etwas übertrieben hatte? Seufzend blickte sie auf das Chaos der
Baustelle um sie herum. Es half ja nichts, und Tränen brachten sie auch nicht
weiter. Entschlossen griff sie sich den Eimer mit der Wandfarbe im Ton
»Toskana« und trug ihn in die Küche. Zwei Wände würde sie heute Abend
mindestens noch streichen müssen.
    Lagerfeld
saß mit Haderlein und dem Baron zusammen an einem alten Eichentisch mit heller
Ahorntischplatte. Das Zimmer, in dem gespeist werden sollte, wirkte wie der
Trophäenraum in einem Jagdschloss. Nur hingen hier statt ausgestopftem Rehwild
Baupläne, Skizzen oder Gemälde von der Stufenburg an der Wand. Eine höchst
illustre Mischung aus Mittelalter und Moderne.
    Der Baron
musterte kritisch das äußere Erscheinungsbild Lagerfelds, war aber fürs Erste
zufrieden. Lagerfeld im Übrigen auch, denn seine neue Ausstattung passte ihm
erstaunlich gut. Frau Helga schien ein ausgezeichnetes Auge für Größe und
Passform zu besitzen.
    Davon
abgesehen hatte Lagerfeld beschlossen, sie nur noch mit Frau Helga anzureden in
der naiven Hoffnung, sie damit irgendwann aus ihrer Reserve zu locken. Keine
Frau der Welt konnte doch von Grund auf so reserviert und emotionslos sein,
dass sie nicht irgendwann seinem unwiderstehlichen Charme erliegen würde. Die
Zeit würde für ihn arbeiten, da war er sich sicher.
    Und
vorerst würde er sich einfach mal voller Konzentration dem neuen Fall zuwenden.
Franz hatte ihn ziemlich zusammengeschissen, weil er auf der Bank eingeschlafen
war. Jetzt saß der ältere Vorgesetzte neben ihm und plauderte angeregt mit dem
Baron, während die Haushälterin das Essen auftrug. Auf der Speisekarte stand
Rehrücken, dazu gab es Blaukraut und Kartoffelklöße. Zum Glück war keiner der
Beamten Vegetarier, und beide hatten zudem richtigen Kohldampf.
    Nachdem
der Baron einen guten Appetit gewünscht hatte, erstarb das Gespräch am Tisch
für einige Zeit. Auch der Baron war an diesem turbulenten Tag noch nicht dazu
gekommen, etwas Magenfüllendes zu sich zu nehmen. Frau Helga hatte sich zu den
drei Herren gesetzt, und wieder meinte Lagerfeld, die gute Frau schon einmal
gesehen zu haben. Allerdings wäre das in Bamberg und näherer Umgebung nicht
gerade etwas Ungewöhnliches gewesen. Nun ja, er würde noch draufkommen.
    Der
Rehrücken hatte keine realistische Überlebenschance und war nach kürzester Zeit
nur noch in Resten vorhanden. Lagerfeld nahm gleich zwei Mal von den Klößen
nach. Erst ein strenger Blick seines Chefs brachte ihn dazu, eine höfliche
Verdauungspause einzulegen.
    Anschließend
wurde mit einem sehr alten und teuer aussehenden Rotwein angestoßen, von dem
Lagerfeld noch nicht einmal kosten durfte, da er von Haderlein zum Fahren
verdonnert worden war. Dann eben nur Wasser. Es wurden ein paar Höflichkeiten
ausgetauscht und natürlich die Köchin für ihre Kochkunst gelobt, dann aber kam
Haderlein noch einmal auf den vergangenen Tag zu sprechen.
    »Herr
Baron, obwohl das hier ein privates Essen ist, hätte ich gern noch ein paar
Fragen an Sie gerichtet, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er.
    »Aber
bitte, Herr Kommissar, tun Sie sich nur keinen Zwang an. Nach diesem Essen bin
ich wieder zu allem bereit. Fragen Sie nur, was Sie wollen, und ich werde Ihnen
so lange antworten, bis diese Flasche Rotwein leer ist.« Er lachte.
    »Wann
haben Sie Hans Kiesler das letzte Mal gesehen?«, fragte Haderlein, während er
sich den Mund mit seiner Stoffserviette abtupfte.
    Die
Blicke des Barons und seiner

Weitere Kostenlose Bücher