Der Colibri-Effekt
kein Norweger, sondern hatte so einen ähnlichen Zungenschlag wie Skipper,
wenn er holpriges norsk sprach. Roald war für einen
Moment versucht, sich dumm zu stellen und zurückzufragen, wen er denn
eigentlich meinte. Aber es war klar, dass die beiden von Skippers Anwesenheit
wussten und er und sein dunkles Geheimnis der Anlass ihres unerfreulichen
Besuchs waren. Zum Glück waren sie zu spät gekommen.
» Dette
er et svært uflatterende kort hår frisyre «, bemerkte er zynisch. Dann
entrang sich etwas wie ein Kichern seiner Kehle. Wahrscheinlich der Schock, der
sich bemerkbar machte. Aber er hatte sich vorgenommen, es ihnen nicht zu leicht
zu machen. Als alter Fahrensmann zur See und auf diversen Ölplattformen hatte
er schließlich schon die eine oder andere Schlägerei überlebt. So etwas härtet
ab.
Der Mann
ließ ihn los. Die fremden Augen verschwanden aus Roalds Blickfeld, dafür traf
ihn von links die Unterseite einer seiner eigenen gusseisernen Bratpfannen mit
voller Wucht an seinem sowieso schon malträtierten Schädel. Wieder zuckte ein unerträglicher
Schmerz durch seinen Körper, für einen kurzen Moment verschwamm alles vor
seinem Auge, und die gerade noch so eherne Festung seines Willens begann zu
bröckeln. Verdammt noch mal, die meinten es wirklich ernst. Was für eine
Höllenbrut hatte Skipper da nur aus ihrem Loch gelockt?
Noch
immer lief ihm das Blut über das Gesicht, er schmeckte die metallische Wahrheit
in seinem Mund. Wieder näherten sich die Augen unerbittlich seinem Gesicht,
wieder zog der Nazi seinen Kopf nach hinten, und wieder wurde ihm die gleiche
Frage gestellt. Keine Spur von Ungeduld in der Stimme, nur die kalte
Gleichgültigkeit eines Mannes, der wusste, dass er seine Antwort früher oder
später erhalten würde.
»Wo ist
er?«
Roald
Hagestad wurde immer panischer. Er wollte seinen Freund nicht einfach so
verraten, aber er war auch kein Übermensch, der brutale Schmerzen ignorieren
konnte. Als die Augen sich ein weiteres Mal von ihm entfernten und der nächste
Schlag – womit auch immer – drohte, kapitulierte er.
»Risør«,
presste er leise und stöhnend hervor.
Wieder
die Augen. »Wie war das? Wo ist er?«, fragte die Stimme kalt.
»Risør«,
wiederholte Roald Hagestad resigniert.
»Und
weiter? Was für ein Auto fährt er? Oder hat er sich wieder einen bescheuerten
Heli besorgt?« In die Augen des Mannes war ein hasserfülltes Glühen getreten,
sein Griff wurde schmerzhafter.
Roald
hatte keine Kraft mehr, Widerstand zu leisten. Er wusste nicht, was die noch
mit ihm vorhatten, aber sein Körper war am Ende. Er wollte nur noch, dass das
alles hier ein Ende hatte, und dann schlafen.
»Ein
Nissan Pick-up«, sagte er erschöpft.
Die Hand
ließ auf der Stelle von ihm ab. Niemand schien sich mehr für ihn zu
interessieren, im Hintergrund war eine leise, aber hektische Diskussion im
Gange, dann schloss sich die Tür des Hintereinganges und es herrschte eine
tiefe Stille. Von einem Moment auf den anderen war er allein mit der pendelnden
Stablampe.
Unter
Schmerzen versuchte er sich auf seinem Stuhl aufzurichten, aber jede auch noch
so kleine Bewegung verursachte seinem geschundenen Körper kaum zu ertragende
Qual. Er wollte einen neuen Versuch wagen, als von draußen erneut Geräusche zu
hören waren. Kamen sie zurück? Erschrocken zuckte er zusammen.
Auch
diesmal waren sie zu zweit. Er konnte beide sehen, als sie durch die Küchentür
kamen. Glatzköpfige Typen mit schwarzen Lederjacken. Sie trugen große Kanister,
deren Inhalt sie erst über ihn und dann in der ganzen Küche verschütteten. Das
Benzin tränkte seine Kleidung bis auf die Unterhose und verteilte sich in jedem
verdammten Winkel.
Als sie
die entleerten Kanister abstellten, ertönte zwei Mal das typische »Plopp!«
einer Handfeuerwaffe, deren Knall durch einen Schalldämpfer minimiert worden
war. Einer der Lederjacken-Typen wurde von zwei Treffern sofort gegen die Wand
geschleudert, wo er mit leerem Gesichtsausdruck nach unten sank. Eine breite
Blutspur dokumentierte seine Rutschpartie an den weißen Fliesen entlang.
Der noch
lebende Nazi starrte unverwandt auf den Mann, der durch die Tür gekommen war
und eine Waffe auf ihn gerichtet hatte. Es folgte ein heftiger Wortwechsel auf
Deutsch, an dessen Ende Roald mehrmals deutlich das Wort Risør vernahm. Dann
hörte er wieder einen Schuss, dann noch einen, und der letzte Lederjackenträger
fiel mit dem Gesicht voraus auf den Küchenboden.
Der Mann
mit der
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