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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Müdigkeit
überfallen. Ausnahmsweise hatte er auf die paar Minuten Fernsehen verzichtet,
die er normalerweise zum Müdewerden und Abschalten brauchte, und war gleich zu
seiner Manuela ins Bett gekrochen. Sie hatten sich noch ein paar Nettigkeiten
zugeflüstert und waren dann beide sanft entschlafen.
    Als
weniger sanft erwies sich allerdings die Aufwachprozedur in der
Judenstraße 1, die mitten in der Nacht stattfand. Zuerst klingelte
lästigerweise ein Handy, dann, als Haderlein sich im Halbschlaf zu seiner
Manuela umdrehte, spürte er nicht etwa wohlriechende, zarte Frauenhaut unter
seiner suchenden Hand, sondern die eines sehr erfreuten und kurzhaarigen rosa
Ferkels.
    »Riemenschneider!«,
rief er empört mit halb geöffneten Augen. »Du weißt ganz genau, dass du in
unserem Bett nichts verloren hast. Los, raus hier! Und zwar sofort!«
    Auch
Manuela Rast gab daraufhin im Halbschlaf einen protestierenden Laut von sich
und versuchte mit einer ungelenken Bewegung den kleinen ungebetenen Störenfried
zu entfernen. Doch Riemenschneider machte keinerlei Anstalten, den dringlichen
Aufforderungen ihrer Herrchen Folge zu leisten, sondern stakste stattdessen mit
ihren vier kurzen Beinchen quer über das Bett. Die wilden Proteste der beiden
übermüdeten Bettbewohner, die weiterschlafen wollten, störten sie nicht im
Mindesten. Bald darauf spürte Haderlein eine kleine raue Zunge, die über die
Bartstoppeln seiner einen Gesichtshälfte fuhr. Genauso wie Beethovens Neunte,
die sein Handy als Klingelton permanent absonderte, versuchte er auch die Zunge
zu ignorieren, doch als Riemenschneider sich seiner Nase näherte, war der Spaß
endgültig vorbei.
    »Jetzt
reicht’s aber!«, donnerte er und richtete sich im Bett auf. Manuela Rast drehte
sich auf der anderen Bettseite zwar missmutig zu ihm um, wollte aber ansonsten
mit dem Radau nichts zu tun haben. In ihrer Beziehung mit einem Kriminalbeamten
war sie an nächtliche Spektakel dieser Art gewöhnt, wies allerdings jegliche
Einmischung ihrerseits weit von sich. Sie hatte wahrlich andere Arbeitszeiten
als ihr Liebster.
    Die
Riemenschneiderin saß derweil vor Haderlein auf der Bettdecke und schaute erst
ihn und dann sein Mobiltelefon vorwurfsvoll an. Jetzt erst realisierte er, dass
sein Handy klingelte. Verzweifelt blickte er auf die Uhr. Es war kurz vor
Mitternacht, er hatte gerade mal zwei Stunden geschlafen. Was war denn jetzt
schon wieder los, verdammt noch mal?
    »Was
gibt’s?«, bellte er ins Telefon, während Riemenschneider vom Bett hüpfte und
sich mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck vor das Nachtkästchen hockte.
Ihrem Herrchen beim Telefonieren zuzusehen war immer sehr unterhaltsam,
besonders wenn es nicht ausgeschlafen war – so wie jetzt, denn Herrchen
Haderlein war ja gerade erst ins Bett gegangen. Hätte Riemenschneider grinsen
können, so hätte sie es jetzt getan, doch selbst hochbegabten Polizeischweinen
bleiben gewisse Dinge aus anatomischen Gründen auf ewig verwehrt. Haderlein für
seinen Teil stand in Unterhose mittlerweile auf dem Flur und sprach mit dem
Anrufer. Nein, sprechen war der völlig falsche Ausdruck, viel eher fauchte
Franz Haderlein sein Gegenüber an und hätte wohl am liebsten und auf der Stelle
sein Handy gefressen.
    »Was,
bitte? Wer? – Der Baron liegt im Krankenhaus? – Hoher
Blutverlust? – Wird gerade operiert? – Jetzt reden Sie doch nicht so
durcheinander, verdammt noch mal, das ist ja völlig chaotisch, was Sie da
erzählen. Geht das vielleicht auch ein bisschen präziser?«
    Riemenschneider
beobachtete, wie ihr Kommissar zuhörte und sich seine Miene währenddessen immer
mehr verdunkelte. Es dauerte nicht lang, dann unterbrach er seinen
Gesprächspartner wieder.
    »Was soll
das heißen, Schussverletzung? Gibt’s denn irgendwelche Zeugen für den ganzen
Vorfall? – Aha, und wo ist seine Haushälterin jetzt? – Wird
psychologisch betreut und ist nicht vernehmungsfähig? Na super. Ist die
Spurensicherung schon da? – Gut, dann komm ich gleich vorbei. Oder nein –«
Ihm war eingefallen, dass er ja gar kein Auto hatte. »Habt ihr schon den
Kollegen Lagerfeld angerufen, der soll mich von zu Hause abholen. – Wie,
der geht nicht ran?« Haderlein kochte vor Wut. Wie er Lagerfeld kannte, hatte
der sich entweder in seinen Schmollwinkel zurückgezogen und alle Kontakte zur
Außenwelt abgebrochen oder aber sich spontan mit seiner Ute versöhnt – was
allerdings zum gleichen Ergebnis führte. Na, das würde er ihm

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