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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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das ihm um die Ohren flog, zutage förderte.
    Lagerfeld
war sofort hellwach, seine Hände krampften sich um das Metallgestänge der
Liege. Er hatte begriffen, dass er nicht durchgezecht hatte und dies hier auch
keine Ausnüchterungszelle war. Das hier war ein Helikopter, und der befand sich
im fliegenden Zustand.
    Er erhob
sich und wankte auf den schmalen Durchgang zu. Ab und an musste er sich mit
ausgestrecktem Arm an der Wand abstützen, da ihm doch etwas schwindelig war.
Als er in die Kanzel schlurfte, drehte sich der Pilot, der sich auf dem linken
Sitz gerade noch mit den Instrumenten beschäftigt hatte, zu ihm um.
    »Hi,
Bernd«, sagte der muskulöse Mann lächelnd, der den Hubschrauber steuerte. »So
sieht man sich wieder. Setz dich, aber fass bitte nichts an.«
    Lagerfeld
nahm das Angebot dankend an und ließ sich auf dem extrem bequemen Gestühl des
Kopiloten nieder. Draußen rauschte der Wind vorbei, und weiter unten, unter der
Nebeldecke, konnte er diffuse Lichter erkennen. Er blickte zur Seite. Obwohl
der Mann einen Pilotenhelm trug, hatte er ihn sofort erkannt. Zweifellos
handelte es sich bei ihm um seinen alten Kumpel Hans Günther aus seinem
Judoverein. Da er ihn leibhaftig vor sich sah, fiel ihm auch wieder sein voller
Name ein. Jahn, Hans Günther Jahn. Bayerischer Jugendmeister im Judo,
Mädchenschwarm und der garantierte Türöffner für jede Art von Fete, zu der man
sonst vielleicht nicht zugelassen worden wäre. Allerdings hatte er schon immer
überhöhte Ansprüche an das weibliche Geschlecht gestellt und war zu Zeiten
ihres Abiturs im Vergleich zu dem austrainierten Muskelpaket, das jetzt neben
Lagerfeld saß, ein Spargeltarzan gewesen.
    »Hallo«,
grüßte Lagerfeld etwas gequält zurück, denn er hatte eine dringender werdende
Unpässlichkeit bemerkt. »Ich müsste mal pissen, HG ,
und zwar relativ bald. Gibt es irgendeine Möglichkeit hier in deinem
Schraubhuber, oder muss ich eine Windel anlegen?«
    Hans
Günther Jahn blickte ihn von der Seite mit einem schelmischen Grinsen an.
»Immer noch der gleiche Scherzkeks wie früher«, stellte er fest. »Wir werden in
circa acht Minuten landen. Wenn du es dir bis dahin verkneifen kannst, kannst
du deinen Strahl sofort in die Ecke stellen, wo er keinen stört.«
    Lagerfeld
ließ diese Aussichten unkommentiert. Seine Gedanken schlugen bereits
Purzelbäume. Fragen über Fragen brannten ihm auf der Zunge. »Wo sind wir, HG , und was hast du mit mir vor?«, wollte er wissen.
    Sofort
wurde HG Jahn ernst. Er wirkte leicht
geistesabwesend, als er antwortete: »Wir sind im Norden und brauchen
Treibstoff. Alles Weitere werde ich dir später erklären, Bernd. Nur so viel
jetzt: Ich will dir nichts Böses, ganz und gar nicht. Ich brauche dich. Du
musst mir helfen. Ich stecke ziemlich in der Scheiße, aber mehr kann ich dir im
Moment nicht sagen.«
    Jetzt war
es an Lagerfeld, laut loszulachen. »So so, ziemlich in der Scheiße steckst du
also? Du hast ja wohl den Arsch offen, HG , oder?
Erst sehen wir uns fünfzehn Jahre nicht, und dann entführst du mich, einen
ermittelnden Kriminalbeamten aus Bamberg, mir nichts, dir nichts in deinem
Hubschrauber und bildest dir auch noch ein, dass ich dich aus irgendeiner
Scheiße rausholen soll? Und das Ganze ohne jegliche Infos, worum es überhaupt
geht! Du hast ja echt einen an der Erbse, HG ! Das
ist eine verdammt dürftige Informationspolitik, die du da betreibst, Alter. Ich
hoffe, das weißt du?«, ereiferte sich Lagerfeld, während Hans Günther Jahn
schweigend vor seinen Instrumenten saß und geradeaus in die Nacht starrte.
    »Von was
für einer Art Scheiße reden wir denn, wenn ich fragen darf?«, bellte Lagerfeld
erbost vor sich hin. »Eine finanzielle, eine kriminelle, hast du jemand sehr Gefährlichem
die Frau ausgespannt, oder hast du einfach nur generelle Frauenprobleme? Sollte
der Fall so geartet sein, bin ich jedenfalls der völlig Falsche, der zur
Lösungsfindung beitragen kann.« Er lachte bitter, meinte aber bemerkt zu haben,
dass HG bei dem Wort »Frau« kurz zusammengezuckt
war.
    Als er
sich zu Lagerfeld umdrehte, sah der junge Kommissar abgrundtiefe
Hoffnungslosigkeit in seinem Gesicht. Lagerfeld spürte ein leises Frösteln an
sich hochkriechen, während der Blick des alten Freundes wie Blei auf ihm ruhte.
    »Bernd«,
sagte HG mit Grabesstimme, »das hier ist nicht
irgendein Firlefanz. Hier geht’s um Leben und Tod. Wir reden von einer
absoluten Megascheiße. Du musst mir dabei helfen, die Welt zu

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