Der Colibri-Effekt
den Schultern.
Robert
Suckfüll war entsetzt. »Gefesselt in Ihrem Benzinraum? Ja, aber wollen Sie ihn
nicht vielleicht mal losbinden?«
Auf Georg
Fiesders Gesicht erschien ein Leuchten der plötzlichen Erkenntnis. Er nahm
sogar seinen schwarzen Hut ab, um sich lachend am Kopf zu kratzen. »Losbinden,
genau, des sollte des haaßen! Ich hab erscht gar ned kapiert, was der Albrecht
mit seim ewichen ›Loofdinden!‹ gemaant hat. Wahrscheinlich hat er ned gscheid
reden gekonnt, weil er den ganzen Staub nunnerschlucken gemusst hat.«
Georg
Fiesder trafen Blicke der Ungläubigkeit, als hätte er soeben die Homosexualität
des Papstes verkündet. Aber der Bauunternehmer war noch nicht am Ende seiner
abwegigen Gedankengänge und plauderte munter weiter. »Erscht hab ich ja
gedachd, des wär sei komisches Hubschrauber-Englisch. Und des versteh ich ja
ned, weil mir früher in der Haubdschul ja ned –«
Weiter
kam er nicht in seinen Ausführungen. Haderlein hatte ihn mit beiden Händen am
Kragen gepackt. »Fiesder, wo ist dieser Pilot?«, fragte er mit unverhohlen
drohender Stimme.
Der
Bauunternehmer erschrak. »Na, obe aufm Fluchblatz im Benzinraum. Hab ich doch
grad scho gsacht.«
Eine
Kolonne aus zwei Dienstwagen der Kriminalpolizei, der Spurensicherung und zwei
Streifenwagen fuhr mit Blaulicht und in Höchstgeschwindigkeit hinter
Breitengüßbach die steile Waldstraße nach Hohengüßbach hinauf.
Am
Flugplatz fiel Haderlein der Laster mit der zerfetzten Plane ins Auge, und er
gab der Spurensicherung den Befehl, sich sofort darum zu kümmern. Georg Fiesder
ging allen voran zum Benzinraum, wo Albrecht Kaim schlafend am Boden lag.
Haderlein schnitt ihm die Kabelbinder durch, richtete ihn an der Wand auf und
weckte ihn vorsichtig. Als der verstaubte Pilot zu sich kam, lächelte er
hocherfreut in die Runde, und Fidibus schickte Huppendorfer sofort Wasser
besorgen.
»Na,
Albrecht, wie geht’s dir? Ich bin’s, dei Chef! Is dir jetzt eigfallen, wo mei Hubschrauber
is?«, fragte Georg Fiesder. Seine bisher so erregte Miene hatte sich in die
eines Honigkuchenpferds verwandelt. »Döffst vo mir aus aach heut freimachen,
Albrecht«, säuselte er seinem erschöpften Piloten zu.
Sofort
verdunkelte sich Kaims Miene. »Fegisses. Albecht gündicht!«, brachte er mühsam
hervor, bevor er einen gigantischen Hustenanfall bekam, der den Bodenstaub im
Raum aufwirbelte, sodass alle Anwesenden bis zu den Knien in eine feine weiße
Wolke gehüllt wurden.
Fidibus
tippte Fiesder von hinten auf die Schulter. »Herr Fiesder, Sie gehen jetzt in
Ihr Büro und halten sich zu unserer Verfügung«, sagte er in einem sehr
amtlichen Tonfall. »Die Einzigen, die jetzt mit Ihrem Piloten sprechen werden,
das sind wir.«
Fiesder
hob an zu protestieren, aber diesmal griffen zwei Polizeibeamte kompromisslos
zu und schoben den um sich schlagenden Bauunternehmer zur Tür des Benzinraumes
hinaus.
Lagerfeld
erwachte mit einem Gefühl, als hätte er die letzte Nacht durchgesoffen. Der
Länge nach ausgestreckt fand er sich auf einem mit Stoff bespannten Untergrund
wieder, sein Kopf war auf seine zusammengerollte Jacke gebettet. Ein bleiernes
Gefühl hatte sich seiner bemächtigt, ein merkwürdiger Geruch stieg ihm in die
Nase, die Augen weigerten sich, die Lider zu heben, und sein Kopf dröhnte. Er
musste wirklich einen gewaltigen Kater haben. Zu dieser Theorie passte auch,
dass er sich nicht die Bohne an die gigantische Zecherei erinnern konnte, die
da abgelaufen sein musste.
Schließlich
konnten sich die Befehle seines Gehirns doch bis zu den adressierten Rezeptoren
durchschlagen, und er öffnete mühsam die Augen. Gleich mehrere Dinge verwirrten
ihn. Erstens: Das Dröhnen schien nicht von seinem Kopf herzurühren, sondern von
diesem Raum, in dem er auf einer Art Pritsche lag. Zweitens: Die kleine Kammer
vibrierte ganz gewaltig, was bei ihm in Rückenschmerzen resultierte. Permanente
kleine Schläge. Aber wieso gab es denn keine Tür hier, sondern nur diesen
kleinen Durchgang? Ächzend wie ein alter Mann richtete er sich auf der Liege
auf und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Eins war klar: Hatte man einen
Kater, so musste man systematisch vorgehen. Also: Was war das Letzte, woran er
sich erinnern konnte? Baron, Essen, Haderlein abliefern – Stück für Stück
kramte er die Ereignisse des letzten Abends aus seinem Gedächtnis hervor, bis,
ja, bis seine Erinnerung die Gartenbank samt Schrot, der in die Bank einschlug,
und zersplittertem Holz,
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