Der Colibri-Effekt
Eigentlich sollte das ja kein Problem für mich sein, das Ermitteln,
meine ich. Na ja, ich hoffe nur, dass dieses Süppchen nicht nach hinten
losgeht.« Er versuchte noch ein kurzes verzweifeltes Lächeln, dann drehte er
sich auf dem Absatz um und stürmte in sein gläsernes Büro. Schließlich musste
er sich auf seine Ermittlungen in Coburg vorbereiten.
Haderlein
schmunzelte, während er sein Handy herausholte. Der Mann brauchte ab und zu
Ansagen dieser Art, sonst würde er gar nicht mehr am normalen menschlichen
Leben teilnehmen. Außerdem konnten sie jede helfende Hand gebrauchen.
Nach dem
kurzen Zwischenspiel seines Chefs konzentrierte sich Haderlein schnell wieder
auf seine eigenen Aufgaben und kramte in seiner Hosentasche nach dem
Mobiltelefon. In den vergangenen Stunden hatte er schon mehrfach versucht Bernd
zu erreichen. Aber obwohl das Handy klingelte und klingelte, meldete sich nur
die Mailbox, und auf der hatte er vergeblich schon zig Nachrichten
hinterlassen.
Also
würde er es jetzt mit einer SMS versuchen.
»Hallo, Bernd«, tippte er, »ich weiß, dass du mit deinem alten Kumpel nach
Norden geflogen und in Flensburg gelandet bist. Leider haben wir eure Spur über
der Nordsee verloren. Schade eigentlich. Wo bist du? Mach bloß keinen Quatsch!
Bitte melde dich, ich will dir helfen! Gruß, Franz.«
Er
steckte das Handy wieder weg und holte seine Jacke. Auf dem Weg nach draußen
hielt ihn Honeypenny kurz zurück, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Sie
machte sich große Sorgen um Ute von Heesen und wollte sich die nächsten Tage
ein wenig um sie kümmern. Wenigstens sie abends besuchen, damit sie die Sorgen
um ihren Bernd teilen konnte, bis er wieder auftauchte. Haderlein hatte nichts
dagegen, im Gegenteil. Er bat sie sogar, Manuela mitzunehmen. So ein Plausch
unter Frauen würde Ute bestimmt etwas ablenken. Allerdings sollte sie davon
noch Fidibus in Kenntnis setzen, sonst fühlte der sich am Ende wieder
übergangen. Damit verschwand Haderlein aus dem Büro.
Als
Erstes würde er nun seinen herzallerliebsten Siebenstädter in der
Gerichtsmedizin Erlangen mit seiner Anwesenheit beehren und dann sehen, wie es
dem Baron ging.
Rutger
und sein Fahrer waren gefahren wie die Teufel. Den eigentlichen Umweg von fast
zwei Stunden hatten sie auf knapp eine einzige zusammengeschrumpft. Kurz vor
Risør hielten sie an, da Rutger hier auf die anderen beiden warten wollte. Von
den zwei Kameraden in Bergen, die eigentlich nur das Restaurant hatten anzünden
sollen, hatte er nichts mehr gehört, und zu erreichen waren sie auch nicht. Ihm
war klar, dass irgendetwas gewaltig schiefgelaufen sein musste. Womöglich hatte
sie die norwegische Polizei geschnappt. Aber er hatte nicht die Zeit, darüber
nachzugrübeln. Immerhin waren sie noch zu viert. Roland und Meik hatten die
Unfallstelle schon seit Längerem mit Hilfe des Abschleppdienstes verlassen und
mussten eigentlich jeden Moment hier eintreffen. Die Geschichte über den
Hergang des Unfalls, die sie ihm am Telefon erzählt hatten, klang geradezu
unglaublich.
Der Mann
des Rentnerehepaares aus dem Haßfurter Landkreis, der sie gerammt hatte, hatte
sich anscheinend verfahren. Herr und Frau Stenglein waren eigentlich auf dem
Weg zur Fähre über den Lysefjord Richtung Preikestolen gewesen, einem der
bekanntesten Naturdenkmäler Norwegens. Als sie irgendwann merkten, dass sie in
die falsche Richtung fuhren, beschloss Herr Stenglein nicht etwa zu wenden,
sondern die knapp zweihundertsiebzig Kilometer im Rückwärtsgang zurückzulegen.
Auf Nachfrage der norwegischen Polizeibeamten hatte der Senior zu Protokoll
gegeben, zu Hause nur mit Automatik zu fahren und mit einem Schaltgetriebe
nicht wenden zu können. Bereitwillig hatte er dem Polizeibeamten das am Lenkrad
klebende Blatt Papier gezeigt, auf dem er mit Bleistift die Funktion und
Anordnung einer Fünfgangschaltung skizziert hatte. Die Idee, auf der
Gegenfahrbahn längere Strecken rückwärts zurückzulegen, fand er nicht weiter
ungewöhnlich, in seiner Heimat, den Haßbergen, würde das eigentlich jeder so
machen.
Die
Polizei hatte daraufhin den Führerschein des Rentners sichergestellt und Herrn
und Frau Stenglein ins Auto geladen. Im Moment befanden sie sich auf dem Weg
zur Deutschen Botschaft in Oslo, wo sich die diplomatische Bürokratie mit ihnen
beschäftigen würde.
Rutger
Kesselring brachte diese Geschichte schier zur Weißglut. Auch er stammte zwar
aus Franken, aber im Fichtelgebirge bekam man Gerüchte
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