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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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indianischen Webteppichen, sehenswertem Silber und Porzellan prunkte. Sequoia hatte nicht geprahlt: diese Rothäute waren reich.
    Er rief etwas in einer Sprache, die ich für Cherokee hielt, und die Familie kam aus allen Richtungen: Papa, höchst majestätisch und herzlich und noch mehr wie Lincoln; Mama, so umfangreich und wogend, daß man versucht war, sich in ihr zu vergraben, wenn man Sorgen hatte; eine Schwester von siebzehn oder achtzehn Jahren, so scheu, daß ich ihr Gesicht nicht sehen konnte; und zwei kleine Brüder, die sofort mit Gekicher meine Haut befühlten. Anscheinend hatten sie noch nie ein Bleichgesicht gesehen.
    Ich erinnerte mich meiner Manieren: tiefe Verbeugung vor Papa, ein Kuß auf Mamas Hand, ein Kuß auf Schwesters Hand (worauf sie hinausrannte), den Jungen die Köpfe zusammengeschlagen und alle Raritäten gegeben, die ich in den Taschen hatte. Alles das ohne ein gesprochenes Wort, aber ich konnte sehen, daß Sequoia erfreut war, und während er der Familie zu erklären schien, was es mit mir auf sich hatte, klang seine Stimme heiter und freundlich.
    Es gab Mittagessen. Die Cherokees waren ursprünglich in der Gegend von Karolina ansässig, und etwas vom Leben der Küste hatte sich in ihrem Speisezettel erhalten: Muschelsuppe, Krabben und eßbarer Eibisch, gebackener Maisbrei, Maisbier und grüner Tee. Und nicht auf Plastik serviert, sondern auf feinem Porzellan und Tafelsilber. Als ich meine Hilfe beim Geschirrspülen anbot, lachte Mama und drängte mich aus der Küche, während Schwesterchen bis in den Ausschnitt errötete. Sequoia jagte die kleinen Brüder fort, die an mir herumkletterten, und führte mich ins Freie. Ich dachte, er werde sich wieder in die Sonne legen, aber er begann einen Weg zwischen Wiesen und Feldern entlangzuschlendern. Eine leichte Brise wehte, und das Getreide und die blühenden Mohnfelder verneigten sich vor uns.
    Endlich fragte er: »Wie lange ist es her, daß du eine Familie und ein Heim hattest, Guig?«
    »Ungefähr hundertfünfzig Jahre.«
    »Armer Waise.«
    »Darum versucht die Gruppe zusammenzuhalten. Wir sind alles, was wir an Familie haben.«
    »Und nun wird es mir genauso gehen.«
    Ich grunzte.
    »So ist es doch, nicht?«
    »Ja, so ist es.«
    »Es ist wie ein langsamer Tod, Guig.«
    »Es ist ein langes Leben.«
    »Ich weiß nicht recht, ob du mir damit einen Gefallen getan hast.«
    »Ich hatte nichts damit zu tun. Es war ein glücklicher Zufall.«
    »Glücklich!«
    Wir grunzten beide.
    Nach ein paar Minuten fragte er: »Was meintest du damit, ›versucht zusammenzuhalten‹?«
    »In mancher Hinsicht sind wir eine typische Familie. Es gibt Zu- und Abneigungen, Eifersüchteleien, Streitigkeiten und sogar Haß. Lucy Borgia und Leo da Vinci können sich seit Jahrhunderten nicht ausstehen. Wenn der eine in der Nähe ist, dürfen wir den anderen nicht mal erwähnen.«
    »Aber jetzt haben sie sich zusammengetan, um dir zu helfen.«
    »Nur meine Freunde. Hätte ich den Radschah gebeten, er hätte sich nicht mal die Mühe gemacht, abzusagen; er haßt mich. So geht es eben. Es ist nicht alles Freundschaft und Glanz in der Gruppe. Du wirst es selbst merken, wenn du uns näher kennenlernst.«
    Wir kamen an Häusern vorbei, deren Bewohner Kunsthandwerk betrieben: Spinnräder, Töpferscheiben, Silberschmiede, Lederarbeiter, Holzschnitzer und Maler. Ich sah sogar einen jungen Burschen, der durch geschicktes Abschlagen steinerne Pfeilspitzen herstellte.
    »Andenken für die Touristen«, erläuterte Sequoia. »Wir überzeugen sie, daß wir immer noch Pfeil und Bogen gebrauchen.«
    »Zum Teufel, Mann, ihr braucht doch das Geld nicht.«
    »Nein, das nicht, aber es sind nützliche Beschäftigungen, die auch etwas einbringen. Im übrigen verlangen wir nicht viel dafür. Wir nehmen nicht einmal Eintrittsgeld an den Eingängen zur Reservation.«
    Weiß Gott, der gute Wille schien keine Grenzen zu kennen. Alles war Ruhe, Idylle und Lächeln. Dio! Die gesegnete Stille!
    »Als sie die indianischen Nationen und Stämme aus unseren letzten Reservationen drängten«, erzählte Sequoia, »gaben sie uns großzügig das leergelaufene Bett des Eriesees als Eigentum. Alle Zuflüsse des Sees waren von der Industrie abgeleitet worden. Es war nur eine verschlammte Industriekloake, vergiftet von Fabrikabwässern, und sie drängten uns alle hinein.«
    »Warum nicht in die liebliche Antarktis?«
    »Dort gibt es Kohle, an die man eines Tages heranzukommen hofft.«
    »Sehr weitblickend.«
    »Wir

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