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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Plan.«
    »Das war die Ignoranz eines kaiserlichen Feldmarschalls.«
    »Die Engländer hätten die belgische Neutralität genauso verletzt. Wir sind ihnen nur zuvorgekommen.«
    »Und meine Großmutter wäre Nonne geworden, wenn sie katholisch gewesen wäre.«
    Ich musste lachen. An Mundfertigkeit war ich Fleischer unterlegen, an Gesinnungsstärke nicht. Wir aßen und tranken.
    »Und wenn es wieder Krieg gibt?« fragte ich. Rübezahls Andeutungen ließen mir keine Ruhe.
    »Es wird wieder Krieg geben«, sagte Fleischer. »Die Herren Hindenburg und Kamarilla denken tags an die Revanche und nachts träumen sie davon. Nach Paris! Polen zerschlagen, die Tschechoslowakei auch. Österreich heimholen. Die werden es den anderen nie verzeihen, dass die sich nicht haben schlagen lassen.«
    »Aber Versailles, das Hunderttausend-Mann-Heer, die Pupsmarine.«
    »An Versailles glaubt schon keiner mehr außer den Franzosen. Die Polen und Tschechen zählen doch nicht. Die Amerikaner und die Briten schütteln nur noch den Kopf über die Froschfresser. Brüning hat uns ruiniert, aber er hat auch die Reparationen erledigt. Man stelle sich das mal vor: zwei Milliarden Goldmark pro Jahr bis 1988, ein Fünftel des Reichshaushalts. Das ist so wahnsinnig, dass selbst die Franzosen es gemerkt haben. Auf dem Papier haben wir die Rüstungsgleichberechtigung, die Interalliierte Militärkommission hat sich verzogen. Und das nicht etwa, weil wir das Versailler Diktat so brav einhalten, sondern um nicht sehen zu müssen, wie wir es jeden Tag brechen. Kein Volk mit einem Funken Nationalgefühl würde sich so etwas gefallen lassen.«
    »Dann haben die lieben Feinde ja geradezu ein schlechtes Gewissen.«
    »Das wäre übertrieben. Die Engländer haben die Nase voll von den Irren in Paris. Die wollen einen Schlussstrich ziehen unter die Sache. Ein paar vernünftige Abkommen, vor allem über die Flottenstärken, das reicht denen. Das sind kluge Leute, sie wissen, man kann ein Land nicht endlos demütigen, ohne das Gegenteil von dem zu erreichen, was man erreichen will. Die haben genug Kriege gewonnen, um Mäßigung zu üben.«
    Ein Paar erschien, sie war zierlich, fast mager, ein ausdrucksstarkes Gesicht. Sie erinnerte mich an Sofia. Er war groß mit Bauchansatz und gelichtetem Haar. Sie setzten sich in die andere Ecke und hielten sich an den Händen. Daneben saß ein alter Mann vor einem Suppenteller.
    »Hallo, wo bist du?« fragte Fleischer.
    Ich schüttelte den Kopf. »Woanders.«
    »Das hab ich gesehen. Und ich sehe auch, dass du fix und fertig bist. Ärger im Präsidium?«
    »Ärger kann man es nicht nennen. Ich schleiche auf Zehenspitzen durch ein Minenfeld. Wahrscheinlich hilft alle Vorsicht nichts, irgendwann wird so ein Ding hochgehen. Ich suche Mörder, weiß aber nicht, ob ich sie finden soll. Die neuen Herren sitzen noch nicht richtig im Sattel. Eigentlich kann ich nur Fehler machen. Wenn ich die Täter nicht finde, habe ich als Kriminalist versagt. Wenn ich die Täter finde, steht zu befürchten, dass mir irgendeiner das Genick bricht, es sei denn, es war die Kommune.«
    »War sie es denn nicht?«
    »Eher nicht.« Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit Kippenberger im Gefängnis.
    »Wie schön, dass ich Arzt bin. Soll ich dich krank schreiben für ein paar Monate? Eine Kur verordnen oder so etwas? Von allem Ärger abgesehen, es täte dir gut.«
    »Lass gut sein, Ferdinand.« Ich schüttelte den Kopf und schaute auf die Uhr. Es war zwar längst noch nicht Mitternacht, aber es zog mich zum Wannsee. Wohlfeld saß im Ford, der stand schräg gegenüber der Einfahrt von Olendorffs Anwesen.
    Ich bat den Wirt, ein Taxi zu rufen. Fleischer schaute mich nachdenklich an. »Hast es aber eilig«, sagte er.
    Ein NSU-Taxi brachte mich zum Wannsee. Ich ließ den Fahrer einige hundert Meter hinter dem Ford halten und stieg aus. Dann zahlte ich und ging zu Wohlfeld. Der saß auf dem Fahrersitz und kaute auf einem Streichholz.
    »Nichts passiert bisher«, sagte er.
    Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und starrte in die Nacht. Nebelschwaden hingen in der Luft. Das Licht des Hauses fing sich in den Nadeln einer riesigen Tanne, die die Hecke weit überragte, dann ertrank es in einem Nebelfetzen, der vorbeischwebte. »Sie können nach Hause fahren, nehmen Sie die S-Bahn.«
    »Danke, Herr Kommissar. Wegner kommt morgen früh um sechs.«
    Er öffnete die Tür und ging. Ich rutschte auf den Fahrersitz. Der Magen kniff, das Essen war schwer gewesen. Die Angst vor

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