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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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darüber, es war doch klar, dass diese Schläger sofort wieder aus der Haft entlassen würden. Trotzdem, die Begründung interessierte mich. Ich griff zum Hörer und wählte die Nummer des für die Zellen verantwortlichen Beamten.
    »Mölder«, meldete er sich.
    »Kommissar Soetting. Herr Kollege, ich sah gerade die Herren auf dem Alex herumspazieren, die ich vorhin verhaftet habe. Wer hat angeordnet, dass sie freigelassen werden sollen?«
    »Herr Kommissar«, seine Stimme klang ängstlich, »es geschah auf Weisung des Herrn Präsidenten persönlich. Die Inhaftierten hatten verlangt, dass der Präsident über die Inhaftierung der Herren Hilfspolizisten unterrichtet wurde.«
    »Und Sie haben das gleich getan!« brüllte ich. Ich wusste natürlich, ich schnauzte den Falschen an. »Tut mir leid, Herr Mölder.«
    »Jawohl, Herr Kommissar.«
    Ich legte auf. Das war nicht neu, nur der Höhepunkt einer Entwicklung seit 1919. Das Recht gab es immer zweimal, eines für die Linken, eines für die Rechten. Wo für einen linken Politmörder ein Todesurteil gefällt wurde, reichte für einen rechten Zuchthaus oder Gefängnis, bis zur nächsten Amnestie. Ich begriff es spät, dachte erst darüber nach, als die Potempa-Mörder davonkamen, weil Hitler sich stark gemacht hatte für sie. Und ein Drittel der Deutschen wählte einen Mann, der sadistische Mörder zu Helden aufblies. Ich stellte mir vor, wie sie in der Kneipe saßen und bei Bier und Korn damit prahlten, wie sie einem Pollacken das Leben aus dem Leib getrampelt hatten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie der Körper ausgesehen haben mochte. Dann tauchte Hitlers Totenfratze vor meinen Augen auf. Es war gut, dass er tot war, aber schlecht, dass ich seine Mörder nicht überführt hatte. Sofia fiel mir ein, sie hatte mich belogen. Ich sehnte mich nach ihr.
    Das Telefon klingelte. »Aschbühler hier. Guten Tag, Herr Kommissar. Ich wollte mich nur nach Ihrem Befinden erkundigen. Geht es besser?«
    »Was wollen Sie?«
    »Haben Sie heute abend Zeit für einen kleinen Schwatz?«
    »Nein.«
    »Vielleicht morgen. Fast hätte ich es vergessen, ich soll Ihnen etwas von Frau Schmandt ausrichten.«
    »Wie kann ich Sie erreichen?«
    »In der Agentur, Herr Kommissar.« Er gab mir die Nummer und verabschiedete sich.
    Vielleicht war es nur ein Trick. Vielleicht kannte er Sofia nicht so gut, wie er es behauptete. Vielleicht hatte er sich die Sache mit Sofia nur aus irgendwelchen Krümeln zusammengebacken. Ich wusste es nicht. Deswegen würde ich mich treffen müssen mit Aschbühler. Ich zündete mir eine Zigarette an und machte mich auf den Weg zum Präsidenten.
    Melcher erwartete mich. Er hatte ein rotes Gesicht. Ich glaubte, Angst in seinen Augen zu lesen. Ich stand vor seinem Schreibtisch, er bot mir keinen Stuhl an. Die Schmerzen erschwerten das Atmen.
    »Herr Kommissar, erinnern Sie sich an meine Weisung, Herrn Dr. Olendorff nicht zu behelligen? Ich habe das nicht verlangt von Ihnen, um Ermittlungen zu behindern, sondern weil ich aus absolut sicherer Quelle weiß, dass Herr Olendorff mit Ihren Fällen nichts zu tun hat. Nichts!« Er mühte sich, seine Wut zu beherrschen.
    »Herr Präsident, Angestellte des Herrn Dr. Olendorff haben mich in einen Keller gezerrt, zusammengeschlagen und mein Ohr verstümmelt. Bei allem Respekt, verhält sich jemand so, der nichts zu verbergen hat?«
    »Wie kam es dazu?«
    »Ich bin dem Wagen von Herrn Dr. Olendorff nachgefahren, letzte Nacht.«
    »Gegen meine Weisung!«
    Ich sprach ohne Betonung, um meine Erregung zu verbergen. »Ich habe keinen Zweifel, dass Herr Dr. Olendorff in einen meiner Fälle verwickelt ist, wenigstens Angestellte von ihm. Sie haben mir keine Weisung gegeben, die Angestellten dieses Herrn nicht zu überwachen.«
    »Haarspalterei, Herr Kommissar.«
    »Diese Leute haben mich zusammengeschlagen. Ist das kein Grund, sich mit ihnen zu beschäftigen? Finden Sie es angemessen, dass Polizisten geschlagen werden? Das zweite Mal nun schon, und beide Male sind Mitarbeiter des Herrn Olendorff darin verwickelt.«
    »Das trifft nicht zu, Sie jagen einem Phantom nach. Dieser York vom Motorboot-Klub war ein Spitzel der Kommune. Der Kippenberger hat es längst zugegeben.«
    Fast hätte ich geantwortet: Wenn ich Kippenberger wäre, würde ich das auch behaupten. Vielleicht hatten sie Kippenberger aber auch in die Mangel genommen. Wer anfängt, das Gesetz zu verbiegen, hört nicht mehr so schnell auf damit. Statt dessen fragte ich: »Mit Verlaub,

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