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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wie erlöst von einer Qual. »Wir haben die richtigen Verdächtigen, und wenn sie nicht selbst gemordet haben, so schufen sie doch den Nährboden dafür. Die Hetze gegen national gesinnte Deutsche wie Hitler oder Röhm hat die Morde erst möglich gemacht. Selbst wenn es nicht dieser Leutbold und diese Schmoll gewesen sein sollten, was ich allerdings für abwegig halte, dann waren es ihre Auftraggeber. Das deutsche Volk will wissen, wer die Hintermänner sind. Es war Ihre Aufgabe, diese zu ermitteln. Aber Sie weisen die Ergebnisse Ihrer Ermittlungen zurück. Welchen Grund kann das haben, Herr Kommissar?«
    Schwindel flog mich an. Melchers Gesicht verschwamm vor meinen Augen.
    »Mein Gott, nun setzen Sie sich doch hin!« Es war ein Vorwurf.
    Ich setzte mich.
    »Sie sind krank, Herr Kommissar. Ich suspendiere Sie vom Dienst. Die Anstrengungen haben Sie überfordert. Lassen Sie sich ein Attest geben. Zwei Monate, meinetwegen drei. Fahren Sie auf Kur. Wenn Sie wiederkommen, werden wir einen Posten für Sie finden, der Ihrer Leistungsfähigkeit angemessen ist.«
    Ich durchsuchte meine Taschen, erhob mich schließlich ein Stück, um in die Gesäßtasche zu greifen. Dort steckte mein Dienstausweis. Ich legte ihn auf den Schreibtisch des Präsidenten. Dann zog ich meine Pistole, sah kurz die Angst in Melchers Augen und legte die Waffe neben den Dienstausweis. Der Lauf zeigte auf den Präsidenten. Er drehte ihn mit dem Finger von sich weg. Melcher schüttelte den Kopf. »Sie geben Ihre Pensionsansprüche auf«, sagte er.
    Ich stand auf und ging.
    »Soetting, machen Sie keinen Unsinn.«
    Ich schloss die Tür seines Dienstzimmers, durchquerte das Vorzimmer, in dem Selma Wieczorek auf ihrer Schreibmaschine tippte. Ich stieg die Treppen hinunter und steckte mir eine Zigarette an. Dann trat ich auf die Straße. Es war nasskalt. Ich fror.
     

XIII
    I ch trank. Es gab nur wenige Tage, die ich halbwegs nüchtern erlebte. Am Anfang fiel es mir schwer, die Flasche schon morgens anzusetzen, aber ich gewöhnte mich daran. In der ersten Zeit saß ich meistens in der Küche, dann blieb ich im Bett liegen und erhob mich nur noch, um zu trinken, zu essen und aufs Klo zu gehen. Ich ließ das Telefon klingeln. Im Dämmerschlaf fiel ich zurück in die Zeiten des Kriegs. Ich dachte an Berg und Rübezahl, an das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das wir verloren hatten. Als ich einmal durchs Wohnzimmer wankte, sah ich Sofias Straßburgkarte. Ich stierte darauf, drehte sie in der Hand, dann zerriss ich sie und warf die Schnipsel aus dem Fenster. Ich legte mich wieder hin und spürte die Tränen in den Augen. Es würde vorbeigehen. Dann drängte sich mir die Idee auf, Schluss zu machen. Manchmal wickelte ich die Luger, die ich aus dem Krieg mitgebracht hatte, aus dem Lappen und strich mit dem Finger über den Lauf. Ich steckte die Mündung in den Mund, sie schmeckte kalt und ölig. Dann streichelte ich mit dem Finger den Abzug. Manchmal starrte ich aus dem Fenster und überlegte, ob ich hinunterspringen sollte. Ich erklärte mir, es sei nicht tief genug, später glaubte ich, ich sei nur feige gewesen. Ab und zu verließ ich meine Wohnung, um einzukaufen. Hin und wieder brachte ich eine Zeitung mit und las, wenn ich nicht zu betrunken war. Ich lebte von meinen Rücklagen. Wenn mir das Geld ausging, war ich am Ende. Ein Zustand, der mich nicht ängstigte. Ich sah, dass die Leute auf der Straße und in den Geschäften meine Nähe scheuten. Der Hausmeister tat so, als merkte er nichts. Fräulein Wiese verzog ihr Gesicht, wenn sie mich sah. Schaute ich in den Spiegel, erkannte ich den Grund dafür. Meine Haare hingen fettig in den Nacken. Ich war unrasiert, bei der letzten Rasur hatte ich mir mit zitternder Hand eine tiefe Wunde in die Backe geschnitten.
    Irgendwann klingelte das Telefon, immer wieder. Schließlich hob ich ab.
    »Aschbühler«, hörte ich.
    »Scheren Sie sich zum Teufel!« brüllte ich, froh, jemanden gefunden zu haben, den ich anschnauzen konnte. Dann legte ich auf.
    Draußen wurde es wärmer, die Tage wurden länger. Der März ging zu Ende. An einem Nachmittag klingelte es an der Tür. Ich saß in der Küche und bewegte mich nicht. Es klingelte wieder. Ich trank einen Schluck Weinbrand. Es donnerte durch die Diele, jemand trat gegen die Tür. Es ging mir auf die Nerven. Ich stand auf. In der Kommode in der Diele lag Werkzeug, darunter ein Hammer. Ich nahm den Hammer und öffnete die Wohnungstür. Es war Aschbühler. Ich versuchte, auf

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