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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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merkwürdiger Apparat.«
    »Hat sich das auch schon bis zu dir herumgesprochen?«
    »Es stand in der Zeitung.«
    Das war mir entgangen. Ich schwieg.
    »Seit die Kommune im Eimer ist, hat die Serie aufgehört.«
    »Als die Verdächtigen in Weimar verhaftet waren, hat sie erst richtig angefangen. Hör zu, ich will ja gar nicht ausschließen, dass es die Kommunisten waren. Aber es gibt dafür nicht den geringsten Beweis. Statt eines Beweises servieren Göring und Melcher ein Motiv. Das Motiv lässt sich nicht abstreiten. Aber es lässt sich eben auch nicht abstreiten, dass es andere Leute mit anderen Motiven geben kann, die diese Morde begangen haben können. Nenn es Berufsehre, aber ohne Beweis kein Täter, und wenn das Motiv auch noch so überzeugend zu sein scheint. Stell dir vor, ein Ehemann hat eine Geliebte. Seine Frau kommt dahinter. Tags darauf wird der Ehemann vergiftet. Wer ist der Täter? Wäre ich Melcher, würde ich die Ehefrau aufs Schafott legen. Ich bin aber Kriminaler, da ist die Ehefrau verdächtig, doch nicht überführt.«
    »Ja, ja«, sagte Rübezahl. »Und was hast du davon, wenn du die angeblich wahren Täter greifst?«
    Die Frage raubte mir die Sprache. Dann sagte ich: »Gerechtigkeit.«
    Ich kam mir arm vor.
    »Gewiss. Aber Gerechtigkeit ist ein abstraktes Prinzip. Und sie ist hierarchisch geordnet. Die größte Ungerechtigkeit, die ich kenne, heißt Versailles. Damit räumen wir jetzt auf, auch wenn es vielleicht noch ein paar Jährchen dauert. Wir müssen ein paar Kröten schlucken, zum Beispiel, dass die Kompetenzen der Polizei gegen Staatsfeinde erweitert, gegen staatstragende Kräfte aber verringert werden. Es geht um das übergeordnete Ziel, in dem sich fast alle Deutschen einig sind. Wir müssen taktisch klug handeln. Ein Schreihals wie Hitler hätte unsere Feinde vereint, statt sie zu teilen. Von Goebbels ganz zu schweigen. Dass es diese beiden nicht mehr gibt, ist nur ein Vorteil. Röhm wollte sich zum Herrn aller bewaffneten Kräfte des Reichs aufschwingen. Einer, der es mit Männern treibt, eklig. Diese SA ist sowieso ein Sauhaufen. Prügelknechte. Röhm, Gott bewahre! Ein Hauptmann als Oberbefehlshaber, absurd, nein, lebensgefährlich. Stell dir vor, Major Rübezahl löst den Chef der Heeresleitung General Hammerstein ab.«
    »Gute Motive, ich sollte dich verhaften. Und was fällt dir zu Gregor Strasser ein?«
    Rübezahl betrachtete eine Weile die Tischplatte. »Weiß nicht recht. Vielleicht wollte die Hindenburg-Kamarilla ihren Nazibündnispartner schwächen. Statt eines ausgebufften Koalitionärs Strasser haben sie es mit dem Morphinisten Göring zu tun. Dem muss man ein wenig schmeicheln, ein Titel hier, ein Titel dort, und schon klappt es. Dass die dem bloß nicht die neue Luftwaffe geben, das wäre ein Titel zuviel«, stöhnte Rübezahl.
    »Du lieferst die Motive frei Haus, Rübezahl.«
    »Offen gesagt, mir ist es egal, wer diese Leute umgebracht hat. Es erweist sich als nützlich. Belass es dabei. Meinetwegen könnten die den Göring auch noch über die Klinge springen lassen.«
    »Bist ein wahrer Menschenfreund.«
    »Das ist der Zynismus der Nachdenklichen. Stell dir vor, wir zerschlagen Polen, nehmen uns den Korridor und knöpfen uns anschließend die Franzosen vor. Das kommt, eher früher als später. Und dann, mein Lieber, haben wir solche Helden wie Göring an der Spitze. Wie viele Tote wird sein Versagen fordern? Zehntausende, Hunderttausende? Die übergeordnete Frage ist Deutschland. Der Krieg hat 1918 nicht aufgehört, nur eine andere Form angenommen. Hitler, Röhm und so weiter, das sind geringe Opfer, gemessen an der Aufgabe, die vor uns steht.«
    »Dann steckt also die Reichswehr hinter der Mordserie?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Die Reichswehr erteilt keine Mordaufträge. Wir sind politisch neutral. Ich wollte dir nur zeigen, dass es viele gute Gründe gibt. Wenn du willst, erzähle ich dir auch eine Variante, in der die Franzosen die Übeltäter sind. Oder die Amerikaner.«
    Ich lachte und winkte ab. »Am liebsten wäre mir eine Version mit Chinesen.«
    »Da müsste ich ein paar Minuten nachdenken.«
    »Ihr wollt Krieg?« fragte ich. Ich begriff allmählich, was Rübezahl gesagt hatte.
    »Nein«, erwiderte er. »Ich habe ein bisschen übertrieben. Wir wollen die Gleichberechtigung, dann wollen wir den Versailler Vertrag aufheben, vor allem die Kriegsschuldlüge. Wir wollen zurück haben, was uns abgenommen wurde. Jeder weiß das. Es gibt in England und Amerika

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