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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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eine Menge kluger Leute, die sagen, dass es so nicht weitergehen kann. Das Reparationsmoratorium war der erste Schritt. Jetzt kommt die Rüstungsgleichberechtigung. Dann die Grenzen. Schließlich die Kolonien.«
    Rübezahl verwirrte mich, vielleicht wusste er selbst nicht, was er denken sollte. »Und du meinst, die Polen geben wieder ab, was ihnen die Siegennächte geschenkt haben?«
    »Die Polen, mein Bester, sind ärger dran als wir, sie wissen es nur noch nicht in ihrer Selbstüberschätzung. Sie piesacken uns und vergessen, dass wir ein Gedächtnis haben. Wenn wir wieder offen aufrüsten dürfen, wird Pilsudski nach Frankreich pilgern und Schutz vor den bösen Deutschen erflehen. Die Polen haben nach dem Krieg zu viele Fehler gemacht. Sie haben uns verärgert und vor allem die Russen. Wenn ein deutscher General in Moskau oder ein russischer in Berlin zum Schwätzchen kommt, bricht in Warschau der Angstschweiß aus. Oder denk an die Tschechoslowakei, dieses Versailler Kunstprodukt. Osteuropa liegt im Schraubstock zwischen uns und den Russen. Der Tag ist nicht fern, da kommen die Herren aus Warschau und Prag angereist und überschütten uns mit freundlichen Angeboten.«
    Was weiß ein Major im Truppenamt? Je länger ich zuhörte, desto mehr erschienen mir Rübezahls Erzählungen wie gehobener Kantinentratsch. Aber es beunruhigte mich doch.
    Als wir uns vor dem Café verabschiedeten, sagte Rübezahl: »Pass auf dich auf. Lass die Detektivspielerei. Wenn sie dich erwischen, machen sie dich fertig.«
    »Wer macht mich fertig?«
    Rübezahl drehte sich um und ging Richtung Brandenburger Tor.
    *
    Ich fuhr verwirrt nach Hause. Rübezahl hatte sich aufgeführt wie ein Schachamateur, der glaubte, das Spiel eines Großmeisters verstehen zu können. Ein Major verschob die Steine, spielte Weltpolitik. Doch es begann in mir zu fressen. Hatte die Reichswehr etwas zu tun mit den Morden? Schleicher womöglich, der Strippenzieher? Aber Serienmorde, und dazu noch solche? Ich glaubte es nicht. Der Modus operandi lässt Rückschlüsse zu auf den Täter, das hatte ich dereinst am Polizeiinstitut in Charlottenburg gelernt. Die Erfahrung hatte diesen Grundsatz bestätigt. Steckten Soldaten ihrem Opfer das Geschlechtsteil zwischen die Zähne, schlugen sie einen Kopf zu Brei?
    Fast hätte ich einen Unfall gebaut, auf der Levetzowstraße übersah ich einen Fußgänger, der sich mit einem Sprung auf den Bürgersteig rettete. Im Rückspiegel sah ich, wie er mir mit der Faust drohte.
    Zu Hause kochte ich mir einen Tee und setzte mich an den Küchentisch. Ich ging durch, was ich wusste, es war kläglich wenig. Immerhin merkte ich, dass ich nicht systematisch gearbeitet hatte und den Überblick verlor. Ich musste lernen, allein zu arbeiten. Ohne die technischen Mittel der Berliner Polizei, ohne Wohlfeld und die anderen. Hilflosigkeit erfasste mich. Es schien aussichtslos, mich mit Olendorff und Konsorten anzulegen. Sie würden mich zerquetschen wie einen Käfer. Ich überlegte, wo ich Weinbrand finden könnte. Aber dann blieb ich doch sitzen und begann meine Gedanken zu sortieren. Als ich fertig war, befahl ich mir, von vorn anzufangen und systematisch zu arbeiten. Und mich in acht zu nehmen.
    Ich suchte die Adressen der Maybach-Werkstatt und des Motorboot-Klubs heraus und rief Kröger im Grundbuchamt an. Er schwatzte ein wenig, dann musste ich wieder warten, schließlich sagte er mir die Namen. Die Werkstatt gehörte einem Friedrich Dehler, Gelände und Haus des Motorboot-Klubs einem Hans Roth. Ich hatte die Namen nie zuvor gehört. Mit Plack und Olendorff hatte ich nun vier Namen. Wenn sie etwas miteinander zu tun hatten, kam ich vielleicht voran. Wenn nicht, musste ich woanders ansetzen.
    Wo beginnen? Am Anfang, also beim Hitler-Mord in Weimar. Er trug eine andere Handschrift als die anderen drei. Diese waren eiskalt inszeniert worden, ich erkannte Verachtung in den Taten, keine Wut. Wer Hitler umgebracht hatte, hasste ihn, wenigstens in dem Augenblick, als er zuschlug. Wenn es dieselben Täter waren, hatte sich etwas geändert zwischen dem ersten Mord und den folgenden. Wenn es unterschiedliche Täter waren, ließen sich die Abweichungen leicht erklären. Der Mord an Hitler schien mir eher im Affekt geschehen zu sein, die anderen waren vorbereitet worden. Lagen die Dinge so, wurde es erst richtig verwickelt. Ich blätterte in meinem Notizbuch. Hinten steckte der Zettel mit den Adressen von Hitlers Begleitern in Weimar. Auf einem anderen

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