Der Consul
auf mich ein, fahr langsam. Es war menschenleer. Dann näherte sich ein Traktor. Ich wusste nicht, ob dessen Fahrer mich gesehen hatte. Im Schatten des Waldrands blieb ich stehen und stieg aus, bereit zu fliehen. Aber der Traktor verschwand aus meinem Blickfeld. Ich fuhr weiter. Als der Wald endete, stellte ich den Wagen neben einer Böschung ab und lief ein Stück voraus. Vorne glitzerte der See, Vögel über dem Wasser. Ich schaute in alle Richtungen und sah nur weitab den Traktor, er entfernte sich über ein Feld, Staub stieg auf. Es war sonst niemand zu sehen.
Ich lief zum See, er war vielleicht vierhundert Meter vom Waldrand entfernt. Am Ufer zog ich mir Schuhe und Strümpfe aus und krempelte die Hosenbeine hoch. Es ging flach hinein, dann wurde es steil. Der DKW würde einigen Schub brauchen, um im See zu versinken. Ich fuhr den Wagen bis auf fünfzig Meter ans Ufer heran. Er stand im freien Feld, ich konnte es nicht ändern. Mit aller Kraft schob ich Engerts Leiche hinters Steuer. Dann öffnete ich die Fahrertür. Ich durchsuchte seine Taschen und fand nichts. Ich vergewisserte mich, dass ich seine Brieftasche und das Geständnis eingesteckt hatte. Dann wischte ich die Luger ab und legte sie ihm in die rechte Hand. Seinen rechten Fuß stellte ich aufs Gaspedal und klemmte den Stiefel ein zwischen dem oberen Rahmen des Pedalraums und dem Pedal. Den linken Fuß stellte ich auf die Kupplung. Ich verkantete sein Bein so lange, bis das Pedal gedrückt blieb. Ich mühte mich, das Lenkrad mit seiner linken Hand und dem Oberkörper festzustellen. Dann schloss ich alle Fenster, um dem Wagen so lange wie möglich Auftrieb zu geben. Ich startete den DKW und zog das Handgas bis zum Anschlag. Der Wagen heulte auf, er war weit zu hören. Ich riss Engerts Bein von der Kupplung und schlug die Wagentür zu. Die Reifen drehten durch, der Wagen schoss zum See. Er fuhr eine leichte Linkskurve und wurde immer schneller. Wasser spritzte auf, mit jaulendem Motor schob sich der DKW in den See hinein. Dann erstarb der Motor, es war still.
Der Wagen schwamm langsam weiter, dann begann er zu sinken. Ich spürte mein Zittern. Das Dach und ein Teil vom Heck waren zu sehen. Der Wagen schwamm nicht mehr weiter weg vom Ufer, um ihn herum platzten Luftblasen. Es schien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis auch das Dach verschwand. Ich lief auf und ab am Ufer, um zu prüfen, ob man noch etwas sehen konnte von einem anderen Standpunkt. Aber dann lachte ich auf. Was hätte ich tun sollen, wenn etwas zu sehen gewesen wäre? Ich schaute mich noch einmal um und wischte Engerts Revolver ab, dann warf ich ihn weit ins Wasser.
XV.
D ie Dämmerung brach an. Auf dem Rückweg nach Königs Wusterhausen hoffte ich, als Spaziergänger wenig beachtet zu werden. Ich schlug den Kragen hoch, um den Kratzer zu verdecken, den Engerts Messer mir in den Hals geritzt hatte. Es brannte, blutete aber nicht mehr. Je näher ich dem Ort kam, desto mehr Passanten begegneten mir. Es kam mir vor, als ob mich alle anstarrten. Ich schaute an mir hinunter und entdeckte ein paar Flecken, deren Art und Herkunft nur ich kennen konnte. So wie ich fühlte sich einer, der nackt über den Kurfürstendamm lief.
Ich erinnerte mich an die Jahre im Dienst. Selbst wenn mich jemand beachtete, würde er mich in der Regel nicht gut genug beschreiben können. Nur eine Gegenüberstellung würde mich überführen. Aber dazu mussten sie mich erst kriegen.
In Königs Wusterhausen nahm ich den Bus nach Köpenick. Ich saß auf der letzten Bank und schaute aus dem Fenster. Nur niemanden anstarren, er würde sich vielleicht erinnern an mich. Als ich in Köpenick in die S-Bahn stieg, wurde ich ruhiger. Ich spürte die Erschöpfung. Am Alexanderplatz stieg ich aus und nahm mir ein Taxi. Der Fahrer schaute mich nur kurz an, ich bildete mir ein, er hatte mich schon einmal als Kommissar erlebt. Er fuhr mich nach Lichtenberg. Dort fand ich im Telefonbuch in einer Telefonzelle die Havel-Schenke. Ich brauchte keine halbe Stunde zu Fuß, dann saß ich im Laubfrosch und fuhr los.
Ich schaute in den Rückspiegel, niemand war hinter mir her. Einen Augenblick überlegte ich, ob ich nach Hause fahren durfte. Wie lange mochte es wohl dauern, bis Engerts Verschwinden die Polizei, die SA oder Olendorffs Schläger, wenn nicht alle zusammen, zur Hatz auf mich veranlasste? Sicher vermuteten sie Engert auf meiner Spur irgendwo in Berlin oder außerhalb. Es würde also eine Weile dauern, bevor sie ihn vermissten.
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