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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Kopf. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn er mir verraten hätte, Röhm sei im Keller des Motorboot-Klub-Hauses ermordet worden.
    Er wusste nicht viel mehr als nichts. Engert war ein Schläger, und er hatte den Verstand eines Schlägers. Ich musste die Sache beenden. »Also, Engert, wir machen jetzt folgendes. Haben Sie einen Zettel und einen Stift?«
    »Im Auto.«
    Auf dem Beifahrersitz lagen ein Block und ein Bleistift. Auf dem Block hatte er die Strecke notiert, die er mir gefolgt war bis zur Havel-Schenke. Ich band Engert los und befahl ihm, sich auf den Fahrersitz zu setzen. Mit meiner Pistole im Rücken diktierte ich ihm, was er schreiben sollte. Er machte viele Schreibfehler, aber schlimmer war, dass er so wenig wusste. Während ich langsam vorsagte, was er verraten hatte, überlegte ich, wie ich aus der Sache herauskam, ohne zum Mörder oder zum Opfer zu werden. Wenn Engert frei war, würde er womöglich zu Olendorff zurückkehren, so viel hatte er mir nicht verraten. Und dann würden sie alles versuchen, um mich umzubringen. Nicht nur sie, auch die SA und die Polizei würden nach mir suchen. Ich hätte nur abdrücken müssen, aber ich konnte es nicht. Engert brauchte lange, dann unterschrieb er. Er hätte genausogut ein Kreuz zeichnen können.
    »Ich werde den Zettel noch heute Ihrem werten Doktor zukommen lassen. Dann schickt er Ihren Mörder los. Also, sehen Sie zu, dass Sie abhauen, am besten ins Ausland. Geben Sie mir den Zettel!« Ich streckte meine rechte Hand vor. Er legte den Zettel hinein, und in derselben Bewegung drehte er sich um auf dem Sitz, ich sah es blitzen in seiner Hand, ein Dolch. Er traf mich am Hals, ich spürte den Schmerz kaum, dann drückte ich ab. Der Schuss traf ihn in den Hinterkopf, Blut und Hirn spritzten an die Scheibe, die klirrend zerschellte. Engert fiel auf dem Fahrersitz nach vorne. Ich hörte ein Röcheln.
    Ich stieg aus und erbrach mich. Dann setzte ich mich an den Fuß des Baumes, an den ich Engert gefesselt hatte. Ich fasste mir an den Hals, es war nur eine Hautverletzung. Der Schnitt brannte. Ein warmer Sonnenstrahl kam durch die Wipfel, die die Lichtung umgrenzten. Ich wischte mir mit dem Taschentuch den Hals ab und schloss die Augen. Etwas in mir drängte mich, sofort zu fliehen, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Seltsam, der Schreck über meinen Mord schwand rasch.
    Enttäuschung meldete sich, ich hatte mir mehr versprochen von Engert. Aber er war nur eine kleine Nummer und dumm dazu. Oder war ich auf der falschen Spur? Ich fasste zusammen, was ich wusste und ahnte. Der einzige vernünftige Anhaltspunkt war der Motorboot-Klub. Wenn ich davon ausging, dass alle Morde von den gleichen Tätern begangen worden waren, war es sinnvoll, sich den Fall vorzunehmen, bei dem eine Lösung greifbar schien. Fand ich Röhms Mörder, hatte ich auch die von Goebbels, Strasser und Hitler. Der Hitler-Mord wich zwar ab von den anderen, aber es war nicht das erste Mal, dass Täter ihre Methoden verfeinerten oder änderten. Die Karteikarten des Erkennungsdienstes im Polizeipräsidium kannten dafür viele Beispiele.
    Dass Olendorff mich beschatten ließ, war ein Indiz mehr, dass er was zu verbergen hatte. Nur was? Die Morde? Seine
    Geheimprojekte mit der Reichswehr und den Russen? Aber warum sollte Olendorff Nazibonzen umbringen, die doch die gleichen Ziele verfolgten wie er? Auch die Nazis wetterten gegen Versailles und trommelten für die Revanche. Je länger ich nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich nicht viel weiter gekommen war. Ich hatte nur neue Gefahren heraufbeschworen.
    Ich stand auf und ging zum DKW. Im Kofferraum fand ich einen Lappen. Ich zwang mich, Engerts Leiche anzuschauen. Der Brechreiz kehrte zurück, doch ich konnte ihn unterdrücken. Engert war schwer, es dauerte eine Weile, bis ich ihn auf den Beifahrersitz gezogen hatte. Anstrengung und Anspannung raubten mir Kraft, Schweiß brannte in den Augen. Ich schnaufte schwer. Reiß dich zusammen, schalt ich mich. Dann nahm ich den Lappen und wischte Lenkrad und Armaturen ab. Ich kniff die Augen zusammen, um möglichst wenig zu sehen. Als ich fertig war, sammelte ich die Glassplitter vor dem Auto auf, soweit ich sie sah, und warf sie in den Kofferraum. Ich setzte mich hinters Steuer und startete den Wagen. Einen Augenblick fürchtete ich, der Anlasser würde versagen und mich zwingen, es mit der Kurbel zu versuchen. Aber dann tuckerte der Motor des DKW los.
    Ich wendete und fuhr zum See. Langsam, sprach ich

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