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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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konnte Wortfetzen hören. Koletzke ging zum Gartentor, während die beiden anderen zur Rückseite der Garage liefen und sie durch die Hintertür betraten. Wenn sie den Schaden am Kofferraumdeckel bemerkten, würden sie wahrscheinlich zurückkommen und beratschlagen, was das zu bedeuten hatte. Und dann würden sie suchen. Ich hatte Angst.
    Niemand tauchte auf. Dann hörte ich, wie der Maybach angelassen wurde. Ich zwang mich, weiter zu warten. Die Haustür öffnete sich. Der Butler ging zum Gartentor, vielleicht war der Briefträger gekommen. Ich rannte zur Haustür und schlüpfte in die Empfangshalle. Dann nahm ich die Treppe in den ersten Stock, sie knarrte. Oben lag ein Läufer auf dem Marmorboden, der meine Schritte dämpfte. Aber auch die Schritte aller anderen, die noch im Haus sein mochten. Ich lehnte mich an die Wand und wartete. Dann kam der Butler wieder ins Haus. Ich hörte unten eine Tür klappen.
    Ich schlich mich zum Ende des Flurs und öffnete die erste Tür. Langsam, sagte ich leise zu mir, langsam. Bloß nicht quietschen lassen. Es war ein Zimmer mit einem Bett, zwei Sesseln, einem kleinen Tisch. Es sah unbenutzt aus. Hinter der nächsten Tür zeigte sich eine Kammer mit Haushaltsgegenständen, Schrubber, Besen, Teppichklopfer. Olendorff hatte gewiss ein Hausmädchen. Ich hörte schon ihren Schrei, wenn sie mich sah. Hoffentlich ist sie unten, flehte ich. Die nächste Tür führte in ein großes Zimmer, darin ein mächtiger Schreibtisch, an den Wänden Regale mit Büchern, eine Kommode. An der Wand gegenüber dem Schreibtisch hing das Porträt eines kaiserlichen Admirals, ich bildete mir ein, Tirpitz zu erkennen. Neben dem Fenster war eine Tür in die Außenwand eingelassen, hier ging es auf den Balkon. In der Zimmertür steckte ein Schlüssel, ich zog die Tür an den Rahmen und drehte den Schlüssel langsam um. Dann schaute ich auf den Balkon hinaus und prüfte, ob die Balkontür sich öffnen ließ. Erst den Fluchtweg sichern, flüsterte ich mir zu. Sofern man einen Balkon einen Fluchtweg nennen kann. Ich drückte die Balkontür auf und schloss sie wieder. Schweiß brannte mir in den Augen. Ich setzte mich hinter den Schreibtisch und öffnete die mittlere Schublade. Gleich vorne lag eine Luger. Ich zog das Magazin aus dem Griff, sie war geladen. Ich legte das Magazin auf den Schreibtisch. Dann schob ich den Verschluss ein Stück nach hinten und sah das Zündhütchen der Patrone. Vorsichtig ließ ich den Verschluss nach vorne gleiten, bis er anschlug. Ich steckte das Magazin wieder in den Griff und legte die Pistole auf den Schreibtisch. Nun fühlte ich mich ein wenig sicherer.
    Ich nahm mir die anderen Schubladen vor. Schreibutensilien, Stempel und Stempelkissen, Briefumschläge, ein Umschlag mit pornographischen Fotos, ein paar handgeschriebene Briefe. Ich überflog sie schnell, es ging um Erbstreitereien mit Olendorffs Bruder, der in Nürnberg wohnte. In der Schublade rechts oben fand ich ein Notizbuch. Ich spielte Daumenkino, sah nichts Bemerkenswertes, überlegte und steckte es ein. Als ich den Schreibtisch durchsucht hatte, stand ich auf und ging zur Kommode. Darin fand ich ein Jagdhorn, eine Schachtel Schrotpatronen und einen Feldstecher. In der unteren Schublade lag ein Fotoalbum. Fast nur Uniformierte waren abgebildet, Umzüge, Gruppenfotos. Auf ein paar Bildern sah ich Hakenkreuze auf Fahnen, Autos und Helmen. Manche Leute waren bewaffnet mit Karabinern, andere trugen Pistolentaschen. In einem Gruppenfoto fiel mir ein Mann auf. Zu seinen Füßen erkannte ich Olendorff, jünger als heute. Die Bilder waren nicht beschriftet. Ich legte das Album neben die Luger auf den Schreibtisch.
    Das Türschloss klackte. Dann rüttelte jemand an der Tür. Eine Frauenstimme: »Herr Koletzke, kommen Sie mal, die Tür klemmt.«
    Ich erschrak, wie kam Koletzke so schnell zurück? Ich schloss die Schublade, nahm die Luger und das Album. Vorsichtig öffnete ich die Balkontür. Ich kroch auf den Balkon und zog die Tür von außen zu. Ich setzte mich mit dem Rücken an die Wand und wartete. Es tat einen Knall. So hörte es sich an, wenn man eine Tür aufbrach.
    »Komisch«, sagte Koletzke. »Hier ist niemand.«
    »Aber eine Tür kann sich doch nicht von selbst verschließen«, sagte die Frau. »Ich muss jetzt runter zum Herrn Doktor. Reparieren Sie bitte das Schloss?«
    »Mach ich gleich nachher«, sagte Koletzke. »Ich schau mich noch ein bisschen um.«
    Es war still. Doch ich war sicher, Koletzke war noch im

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