Der Consul
stand, und ein Fotoalbum, in dem Kapitän Ehrhardt oft abgebildet war. Hatte Alexander etwas zu tun mit Ehrhardt? Möglich, auf jeden Fall hatte Olendorff etwas zu tun mit Ehrhardt. Olendorff war der Schlüssel für meinen Fall.
Sollte ich ihn mir schnappen? Oder Koletzke oder beide? So wie ich mir Engert gegriffen hatte. Mir wurde unwohl, ich sah Engerts blutigen Kopf vor meinen Augen. Ob seine Leiche gefunden worden war? Ich setzte mich aufs Bett und rauchte. Es war aussichtslos. Warum haute ich nicht ab? Trübsinn packte mich. Wie sollte ich noch einmal an Olendorff herankommen? Ich legte mich aufs Bett und schloss die Augen. Erinnere dich, sagte ich mir. Denk nach. Versuch zu schlafen, ausgeruht kommst du auf neue Ideen. Es war doch immer so. Dann schlief ich ein.
*
Ich döste noch, als ich schnelle Schritte auf der Treppe hörte. Die Tür wurde aufgerissen, Erna stand da mit einer Zeitung in der Hand. Sie streckte mir die Zeitung entgegen. »Da bist du drin, mein Herzchen!«
Sie hatte eine böse Stimme. »Die schreiben, du bist ein Mörder. Und ein ehemaliger Greifer! Da habe ich mir ja ein Früchtchen ins Haus geholt. Sag was!«
Ich sprang auf, schlug mir den Kopf an der Decke an und riss ihr den Berliner Lokal-Anzeiger aus der Hand. Da stand tatsächlich mein Steckbrief. Ich verstand nicht, was ich da las. »Gesucht wegen Mordes. Der ehemalige Kriminalkommissar Stefan Soetting wird verdächtigt, am frühen Nachmittag des 11. Mai den Industriellen Dr. Josef Olendorff erschossen zu haben.« Es folgte eine Personenbeschreibung. Und:
»Fünftausend Mark Belohnung für jeden Hinweis, der zur Verhaftung des Flüchtigen beiträgt.« Ich erstarrte. Der Kopf brummte.
Erna stand vor mir, sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Hast du diesen Olendorff abgemurkst? Kowalski hat mit Mördern nichts zu tun, und ich erst recht nicht. Sag was, bevor ich dich rausschmeiße und dir die Polente hinterherschicke!«
Ich schüttelte den Kopf, um den Wahn loszuwerden. Er blieb kleben an mir. Erna stand wie gemeißelt in der Tür. »Ich habe niemanden ermordet«, sagte ich und dachte an Engert. Da war ich mir selbst nicht sicher.
»Und dieser Olendorff ist vor Schreck umgefallen, als er dich gesehen hat?«
»Der hat mich nicht gesehen. Genauer, er hat mich vor Monaten das letzte Mal gesehen. Und wenn einer ein Mörder ist, dann dieser Olendorff, nicht ich.«
»Aha.« Sie schien mir kein Wort zu glauben.
»Ich bin gestern bei Olendorff eingestiegen, weil ich Beweise suchte.«
»Beweise?«
»Beweise dafür, dass Olendorff in Mordfälle verwickelt ist.«
»Hier steht, du warst Greifer.«
»Das stimmt, ich war Greifer.«
»Du bist es nicht mehr.«
»Nein.«
»Was hast du ausgefressen?«
»Nichts.«
»Warum bist du dann rausgeflogen?«
»Bin ich nicht. Ich bin gegangen.«
»Du hast deine Pension weggeworfen?«
»Ja.«
»Das ist so verrückt, dass ich es fast glauben würde.«
»Es ist die Wahrheit.«
»Du hast zwei Möglichkeiten. Du erzählst mir alles und fliegst dann raus. Oder du fliegst gleich raus.«
Ich stand auf, sie wich einen Schritt zurück. »Nein, keine Sorge, ein Mord alle zwei Tage reicht mir. Morgen wieder. Lass uns in die Küche gehen. Bis dahin bist du sicher.«
Sie musste grinsen.
Wir setzten uns gegenüber, ich gab ihr Feuer und zündete mir auch eine Zigarette an.
»Nun?« sagte sie.
Ich erzählte ihr einiges, aber nichts von Engerts Ende, nichts von meinem Überfall in Leipzig, nichts von Sofia, nichts von meinen Ermittlungen in München. Sie unterbrach mich nicht. Ich sah in ihren Augen, wie sie erschrak, erstaunte und wie sie langsam glaubte. Ich redete um mein Leben. Wenn sie mich rauswarf, war ich am Ende. Ein frischer Steckbrief mit einer guten Beschreibung in der Zeitung, Fahndungsplakate an Litfaßsäulen, ich hatte draußen keine Chance mehr. Während ich erzählte, dachte ich an die fünftausend Mark Belohnung. Und sie dachte auch daran. Fünftausend Mark waren viel Geld für eine abgehalfterte Hure, die sich an Bohnenkaffee und amerikanische Zigaretten gewöhnt hatte.
Als ich fertig war, sagte sie: »So was habe ich noch nicht gehört. Und ich hab viel gehört. So was noch nicht.«
»Ich auch noch nicht«, sagte ich.
»Und wer hat jetzt diesen Olendorff umgebracht?«
»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht Koletzke.«
»Der Mann, den du niedergeschlagen hast?«
»Genau der.«
»Hm.«
»Vielleicht auch ein anderer. Ich war leider nicht dabei.«
»Mach keine
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