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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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vorderen Reihe hockten die Männer, die dahinter standen. In der Mitte war häufig ein schlanker Mann mit einem fast jugendlichen Gesicht zu sehen, Schnauzer und Kinnbart machten ihn älter. Auf den meisten Fotos trug er eine Schirmmütze.
    Aufmerksam betrachtete ich ein Foto nach dem anderen. Es lohnte sich. Ich erkannte nicht nur Olendorff auf einigen Bildern, sondern auch Koletzke und Engert. Sie hatten gemeinsam mit Olendorff in einem Freikorps gedient, das schien klar. Aber in welchem? Und was bedeutete das für meine Fälle? Viele hatten in Freikorps gedient, auch ich hatte mit dem Gedanken gespielt, nach Oberschlesien zu gehen, um gegen aufständische Polen zu kämpfen. Aber das machte niemanden zum Mörder. Immerhin wusste ich jetzt, woher Olendorff, Koletzke und Engert sich kannten. Vielleicht hatten sie schon in der Marine gemeinsam gedient.
    Die Tür ging auf, Erna trat ein und schaute auf das Album, das ich auf den Knien hatte.
    »Was ist denn das?« fragte sie.
    »Fotos«, sagte ich und schlug das Album zu.
    »Zeig mal, ich schau mir fürs Leben gern Fotos an.«
    Ich reichte ihr das Album. Sie setzte sich neben mich und blätterte.
    »Schicke Männer«, sagte sie. »Ich mag Männer in Uniform. Hattest du auch mal eine?«
    »Klar, die war aber nicht so schick wie die da.« Ich tippte mit dem Finger auf Olendorff in der Leutnantskluft. Sie lachte rauh und blätterte weiter. »Huch«, sagte sie. Dann kicherte sie. »Den kenn ich.« Sie zeigte auf den Mann, der in der Mitte vieler Fotos stand. »Das ist der Kapitän Ehrhardt.« Sie lachte wieder.
    »Und woher kennst du den?«
    »Von der Arbeit«, sagte sie. Sie gluckerte.
    Ich schaute sie an.
    »Du kannst doof kieken«, sagte sie. »Der is gar nicht ohne.«
    »Wann hast du ihn kennengelernt?«
    Sie überlegte kurz. »Das ist länger als zehn Jahre her.«
    »In Berlin?«
    Sie nickte. »Später habe ich gehört, der hätte sich nach Österreich abgesetzt. Eigentlich bin ich nur reingekommen, um zu fragen, ob ich was mitbringen soll. Gegen Botenlohn natürlich.«
    Ich bat sie, ein oder zwei Zeitungen zu kaufen. Sie klapperte die Treppe hinunter.
    Also Kapitän Ehrhardt, Namengeber einer sogenannten Marinebrigade, einer Schlagetottruppe aus den ersten Jahren der Republik. Ich erinnerte mich, sie hatte auch beim Kapp-Putsch mitgemischt. Und dann gab es da noch etwas, einen Prozess in Leipzig vor vielen Jahren. Verdammt, um was ging es da?
    Ich nahm mir wieder das Notizbuch vor. Aber Ehrhardt war nicht verzeichnet darin. Wieder blieb ich hängen an Dirk/Uck. Was, verdammt, hieß das? Wenn ich Alexander finden könnte, käme ich vielleicht weiter.
    Allerdings hatte Melcher York alias Alexander als kommunistischen Agenten bezeichnet, er war sich da ganz sicher gewesen. Wenn Alexander aber zum M-Apparat gehörte, warum fand ich ihn dann in Olendorffs Notizbuch? Gab es einen zweiten Alexander? Unwahrscheinlich, mehr als unwahrscheinlich. Wäre ich noch Kommissar gewesen, hätte ich es prüfen lassen. Aber solchen Luxus konnte ich mir nicht leisten. Ich stand auf und marschierte fünf Schritte auf und fünf Schritte ab. Irgendwo in dem Wirrwarr musste sich eine Spur verbergen. Ich fluchte leise vor mich hin, weil ich merkte, wie sehr ich angewiesen war auf Spurensicherung, Erkennungsdienst, Gerichtsmedizin. Wohlfeld hätte mir geholfen, aber ich hatte keinen Wohlfeld mehr.
    Was wusste ich? Olendorff war Marineoffizier gewesen. Nach dem Krieg schloss er sich einem Freikorps an, das sich Marinebrigade Ehrhardt nannte. Olendorff mochte Ehrhardt schon vor dem Krieg gekannt haben, aber vermutlich spielte das keine Rolle. Olendorff wurde Präsident des Motorboot-Klubs Oberspree, Koletzke und Engert waren seine Handlanger. Alexander war so etwas wie ein Hausmeister des Klubs. Ich vermutete, Olendorff hatte ihn angestellt. Olendorff arbeitete mit der Reichswehr und jetzt auch mit der neuen Regierung zusammen, um Rüstungsgüter in Russland herzustellen, die in Deutschland nicht produziert werden durften. Berg und Rübezahl waren in diese Geschichte verstrickt. Der Motorboot-Klub war vermutlich der Ort, an dem Röhm ermordet wurde. Das konnte ich nicht beweisen, das zeigten aber die Reaktionen der Olendorff-Leute auf meine Ermittlungen. Nicht auszuschließen war, dass noch ein weiteres Verbrechen im Zusammenhang mit dem Klub geschehen war. Aber ich konnte es mir nicht leisten, von der Hauptspur abzuweichen.
    Was hatte ich noch? Ich hatte das Notizbuch, in dem der Name Alexander

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