Der Consul
Witze.«
»Du wolltest es doch wissen.«
»Du brauchst dunkelblonde Haare und einen Bart. Die Augenbrauen müssen wir auch färben. Ich fahr gleich mal los und hol das Zeug.« Sie stand auf, griff nach ihrer Handtasche und verschwand. Dann steckte sie ihren Kopf wieder in die Tür. »Komm mit, das Auto muss von der Straße.«
Ich folgte ihr und fuhr den Wagen in eine Scheune. Dort stand ein kleiner Ford, der offenbar ihr gehörte. Jedenfalls setzte sie sich hinters Steuer, nachdem sie mir zugerufen hatte, ich solle zurück ins Haus und auf sie warten.
Zurück in der Küche, zündete ich mir eine Zigarette an und suchte in den Schränken, bis ich eine Flasche Korn gefunden hatte. Wenn Erna gleich mit der Polizei zurückkehrte, konnte ich auch betrunken sein. Ich saß da und trank und dachte über meine letzten Minuten in Freiheit nach. Sie würden mich umbringen, so schnell wie möglich, das war mir klar. Sie mussten verhindern, dass ich an einen Staatsanwalt oder Richter geriet, der noch an das Recht glaubte. Wenn ich auch wenig wusste, es reichte, um Ermittlungen gegen eine Verschwörung zu eröffnen. Aber wer sollte die Ermittlungen führen? Gab es jemanden, der sich dem preußischen Ministerpräsidenten und Innenminister widersetzte? Konnte es so jemanden geben? Unmöglich. Der Fall ist abgeschlossen. Die Kommune hat Hitler und die anderen Nazibonzen ermordet, Soetting hat Olendorff und Engert ermordet und die Kommune gedeckt. Noch Fragen, meine Herren? Es passte alles.
Ich trank und rauchte. Wann kamen sie endlich? Ich spürte Müdigkeit, nahm die Flasche und die Zigaretten und ging hoch. Oben legte ich mich aufs Bett und trank weiter. Dann kam der Krieg. Ich liege im Graben in der Nähe eines Pissdorfs namens Diksmuide. Es regnet, ich bin durchnässt und höre meine Zähne klappern. Wir spüren die Aufschläge unserer Artillerie beim Feind. Ich weiß, was drüben geschieht. Sie verkriechen sich in die Unterstände und beten, dass sie keinen Treffer kriegen. Die Angst lässt sie schlottern und weinen und schreien. Ich halte den Karabiner fest und dränge mich an die anderen. Ich schaue nicht zu unserem Leutnant, ich weiß, er steht ganz nah, die Pistole in der Hand. Dann sagt er: »Los! Raus! Raus!« Es ist gar nicht laut. Andere fallen ein. »Raus! Raus! Beeilung! Raus!« Ich bleibe stehen. Berg verschwindet hinterm Grabenrand, kommt zurück, schaut auf mich hinunter und reicht mir die Hand. »Wir schaffen es, noch einmal! Nur noch einmal!« Ich bin wie festgeklebt, kann mich nicht rühren. Ich will den Graben hochklettern, aber meine Füße bewegen sich nicht. Ich hebe und senke die Knie, die Füße bleiben festgenagelt. Es schüttelt mich. Als ich die Augen öffnete, schaute ich in Ernas Gesicht.
»Du stinkst wie eine Kneipe«, sagte sie. »Hast meinen Korn ausgesoffen, Rechnung folgt, mit Selbstbedienungszuschlag.«
Ich stützte mich auf die Ellbogen und kniff ein paarmal die Augen zu.
»Du musst fast einen ganzen Tag verpennt haben. Ich war in Berlin, es hat ein bisschen länger gedauert. Du bist richtig berühmt. Überall hängen die Fahndungsplakate. Wenn sie dich nicht bald haben, werden sie die Belohnung erhöhen.« Sie grinste. »Ich muss also noch ein bisschen warten.« Sie lockte mit dem Zeigefinger. »Komm mit, ich hab dir was Schönes mitgebracht.«
Ich fuhr mir über den Kopf und ertastete eine Beule. Dann wälzte ich mich aus dem Bett und folgte Erna in die Küche. Auf dem Tisch stand eine Flasche, daneben lag eine Papiertüte. »Was ist das?«
»Das macht dich zu einem anderen Menschen.« Sie lachte. »Setz dich da hin.« Sie deutete auf einen Stuhl. »Und dann tu mir einen Gefallen, halt eine Weile deine Klappe. Ich muss mich konzentrieren. Es soll ein Kunstwerk werden.« Sie bearbeitete mit Kamm und Schere meine Haare, dann wusch sie mir den Kopf. Sie nahm die Flasche vom Tisch, füllte etwas daraus in ihre Hände und trat wieder hinter mich. Diese Prozedur wiederholte sie einige Male, dabei ermunterte sie sich selbst: »So wird es schön, hier noch ein bisschen, da auch.« Dann nahm sie sich meine Augenbrauen vor. Schließlich wusch sie mir die Haare wieder aus und trocknete sie sorgfältig ab. Dann griff sie die Papiertüte auf dem Tisch und öffnete sie. Sie steckte die Hand hinein, und als sie sie wieder herauszog, hielt sie einen Schnauzer zwischen Zeigefinger und Daumen. »Gleich siehst du aus wie ein Herr.«
»Der Schnauzer ist also der Unterschied zwischen Kerl und
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