Der Consul
Herr?«
»Halt die Klappe, sonst sitzt er schief.« Sie drückte mir den Schnauzer auf die Oberlippe, es kitzelte, als sie meine Nase streifte. »Bleib sitzen«, sagte sie und verschwand. Sie kam zurück mit einem Spiegel, den sie mir hinhielt. »Na, nicht schlecht, oder?«
Ich hätte mich fast selbst nicht erkannt. Sie hatte mir einen modischen Haarschnitt mit Pomade verpasst, die Haare und Augenbrauen dunkelblond gefärbt und einen zur Haarfarbe passenden Schnauzer besorgt.
»Das Beste kommt noch«, sagte sie triumphierend. Sie verließ die Küche und kehrte mit einer großen Tüte und einer Schachtel zurück. Aus der Tüte zog sie einen dunkelblauen dreiteiligen Anzug, einen gedeckt blauen Schlips, ein weißes Hemd und einen Kragen. Aus der Schachtel nahm sie schwere schwarze Schnürschuhe, die sündhaft teuer aussahen. »Kleider machen Leute«, sagte sie. »Das hat doch dieser Goethe gesagt.«
»Ich schulde dir eine Menge Geld.«
»Richtig«, sagte sie und begann Zahlen zusammenzurechnen. »Einhundertdreiundsechzig Reichsmark, einschließlich Lieferung.« Ich schluckte, bald waren meine Reserven aufgebraucht.
»Billiger kann man aus so einer Gestalt wie dir keinen neuen Menschen machen.«
Ich holte das Geld und gab es ihr. Auf dem Weg in meine Kammer und zurück in die Küche überlegte ich, was ich anstellen sollte. Mein Schädel brummte, aber ich war ausgeruht. Olendorffs Notizbuch und das Album brachte ich mit in die Küche. Erna hatte einen Kaffee aufgesetzt, sie stand am Herd.
»Was sagt dir Dirk/Uck?«
»Noch mal.«
»Dirk/Uck.«
Sie überlegte kurz. »Dass es sich um einen Dirk handelt, der in Uck wohnt.«
»Was heißt Uck? Es ist wohl eine Abkürzung.«
»Uckermark«, sagte Erna. Sie goss Wasser aus dem Kessel in den Kaffeefilter.
Verdammt, darauf hätte ich selbst kommen können.
»Es geht um einen Dirk, der in der Uckermark wohnt. Und wer soll das sein? Was willst du von dem?«
»Dort versteckt sich vielleicht ein Mann, der mir ein paar Fragen beantworten kann.«
»Und wenn Dirk auch eine Abkürzung ist?«
Sie hatte recht. Dirk konnte ein Vorname sein oder für einen Nachnamen stehen.
»Ein Dirk versteckt sich in der Uckermark.« Das kann es auch heißen.
»Nein, ein anderer versteckt sich bei Dirk.«
»Den Namen verrätst du mir nicht?«
»Es würde nicht helfen. Je weniger du weißt ...«
»... um so besser«, unterbrach sie mich. »Gib mir mal das Fotoalbum.«
Sie blätterte und schaute. Als sie fertig war, sagte sie: »Nee, ich erkenn nur den Ehrhardt.« Sie grinste.
Ich hätte sie gerne gefragt, warum sie jedes Mal grinste, wenn sie über Ehrhardt sprach.
»Wo sind denn heute die Leute aus den Freikorps?« fragte Erna.
»Zerstreut in alle Welt.« Ich dachte an die Fememorde, viele waren in der Nähe von Gutshöfen in Brandenburg und Mecklenburg verübt worden. »Jedenfalls die, die nicht umgebracht wurden. Die Freikorpsleute haben sich damals lange auf Gutshöfen versteckt. Ihre Waffen auch. Diese Interalliierte Militärkommission ist ihnen nur auf die Schliche gekommen, wenn es Verräter gab. Die wurden umgebracht, und die Berliner Mordkommission musste helfen, die Morde aufzuklären. Ohne großen Erfolg, wie ich gestehen muss.« Was hatten wir die Kollegen aus Prenzlau und sonstwo verflucht, weil die an den Tat- und Fundorten erst mal alles zertrampelten.
»Und wenn sich der Typ auch auf einem Gutshof versteckt hat?« fragte Erna.
Sie hatten sich damals nach Auflösung der Freikorps dort versteckt, warum nicht auch heute? Olendorff und Koletzke hatten in Ehrhardts Freikorps gedient, der Marinebrigade. Es war eine Idee, eine bessere hatte ich nicht.
»Ich fahr morgen nach Prenzlau«, sagte ich. »Hast du eine Aktentasche? Von einem alten Freund oder so?«
»Nimm mein Auto«, sagte Erna. »Deines wird wohl schon gesucht. Ich nehm es als Pfand.«
Sie hatte recht. Burstein, von dem ich den Laubfrosch hatte, war gewiss schon auf der Polizeiwache gewesen und hatte mich verpfiffen. Zumal es eine Belohnung gab.
XVII
A m Morgen fuhr ich früh los. Ich gewöhnte mich schnell an Ernas Ford. Olendorffs Pistole hatte ich ins Handschuhfach gelegt. Es war nicht weit bis Prenzlau, auf dem Weg legte ich mir eine Legende zurecht.
Ich stellte den Wagen vor dem Rathaus ab, betrat das Gebäude und klopfte an eine Tür, auf der Gemeindediener stand. Es war niemand im Raum. An einem Tisch standen zwei Stühle, ich setzte mich und wartete. Der Bart war ungewohnt, und ich stülpte
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