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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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rollte vorbei, ein Mann saß nach vorn gekrümmt auf dem Bock und schien mich nicht zu beachten. Er hatte Mist geladen, der Gestank zog ins Auto.
    Ich stieg aus und ging langsam auf den Hof zu. Alexander würde mich in dieser Verkleidung kaum sofort erkennen. Das Gutshaus war aus roten Klinkern, Efeu rankte an der Front. Rechts davon stand eine große Scheune, aus ihr schallten Stimmen zu mir. Fröhlich, kindlich. Ich ging zum Haupteingang. An der Tür war ein Messingschild angebracht, darüber hing ein Klöppel. Ich schlug ihn gegen das Schild. Knarrend öffnete sich ein Türflügel. Eine Frau mit Schürze schaute mich freundlich an.
    »Guten Tag«, sagte ich. »Ich suche einen Freund, der vielleicht noch bei Ihnen wohnt.«
    »Und wie heißt Ihr Freund?«
    »Alexander«, sagte ich. »Manchmal, Sie müssen das bitte verstehen, nennt er sich anders. York zum Beispiel.«
    »Und Sie sagen, es ist Ihr Freund?« Ihr Blick verriet Misstrauen, ihre Stimme klang weiterhin freundlich.
    »Mein Kamerad.«
    »Kommen Sie doch bitte herein, ich rufe meinen Mann.«
    Ich trat in einen Vorraum mit einem Boden aus schweren Holzdielen. An den Wänden hingen zwei Ölgemälde, Frauen in wallenden Kleidern, Männer mit Gewehr und Hund, im Hintergrund ein Hirsch, das Geweih reckend und in den blauen Himmel röhrend. Gegenüber dem Eingang starrte mich ein Wildschweinkopf an. Daneben ein Jagdhorn, an der Griffstelle war es mit Leder überzogen. Vom Vorraum aus gingen drei Türen ab. Die linke öffnete sich fast geräuschlos. Ein kleiner Mann im Reitanzug näherte sich, er hatte bürstenkurz geschnittenes Haar und begrüßte mich mit flacher Stimme. Nicht unfreundlich, aber streng. Er machte den Eindruck eines Mannes, der wenig redete.
    »Ich suche Herrn Alexander, vielleicht hat er sich aber auch unter einem anderen Namen vorgestellt.«
    »Das soll es geben«, sagte Dirksen. »Hier wohnt kein Mann dieses Namens. Wir haben zur Zeit keine Gäste.«
    »Hat er hier gewohnt?«
    »Wer will das wissen?«
    Ich überlegte kurz, dann setzte ich alles auf eine Karte. »Der Kapitän.«
    »Kommen Sie«, sagte er. Er führte mich ins Wohnzimmer und bot mir einen Platz an. »Haben Sie mir etwas zu sagen? Ich meine, bevor ich Ihnen etwas sage?«
    Möglicherweise erwartete er eine Losung. »Ich bin in einer geradezu verzweifelten Lage«, sagte ich. Das stimmte, aber anders, als Dirksen dachte. »Die Verbindung ist abgerissen. Es gab Unfälle ...« »Unfälle?«
    »Da mischte sich ein ehemaliger Kriminalkommissar ein. Ein Besessener, ein Verrückter. Aus irgendeinem Grund hat er den Doktor ermordet.«
    »Ich habe davon gehört. Olendorff, das ist ein großer Verlust.«
    »Und der Kamerad ist verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Ich fürchte, ihn hat auch dieser Kommissar getötet.«
    Die Tür öffnete sich, die Frau erschien. Sie blieb im Türrahmen stehen. Ihr Gesicht lächelte mild. Dirksen trat auf sie zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    »Vom Konsul?« flüsterte sie überrascht zurück. Sie warf mir einen Blick zu, um zu prüfen, ob sie zu laut gesprochen hatte. Ich tat, als hätte ich nichts gehört. Aber ich spürte, ich war auf der richtigen Fährte.
    »Konsul« war der Kapitän Ehrhardt. Wieder ein Stückchen im Verwirrspiel, das ich zuordnen konnte.
    Er nickte und flüsterte.
    Sie schüttelte den Kopf, kaum wahrnehmbar.
    Er kam wieder zwei Schritte auf mich zu und sagte: »Tut mir leid, ohne Losung darf ich nichts sagen. Es ist ein Befehl. Sie kennen das.«
    »Das ist die Vorschrift. Ich werde Ihr vorbildliches Verhalten dem Konsul melden.«
    »Melden Sie ihm, ich sei betrübt, so handeln zu müssen.«
    »Selbstverständlich, Herr Baron. Ich darf mich verabschieden.«
    »Ich hoffe, das Durcheinander ist bald zu Ende.«
    »Dazu beizutragen ist meine Aufgabe. So ist es im Krieg, manchmal erzielt der Feind Einbrüche.«
    Er drückte mir kräftig die Hand, die Frau nickte mir freundlich zu zum Abschied.
    Ich stieg die Vortreppe hinunter und hörte wieder das Lachen aus der Scheune. Meine Laune war gestiegen und mit ihr mein Selbstvertrauen. Ich ging zur Scheune und sah im Augenwinkel die Frau am Fenster stehen. In der Scheune tobte eine Horde Kinder im Stroh, kleine und große, mit wildem Geschrei. Als ein Junge mich sah, blieb er stehen und rief: »Sssst!« Noch mal: »Sssst!« Dann standen auch die anderen still und schauten mich an.
    »Guten Tag, besser guten Abend«, sagte ich. »Ich habe mich verfahren, vielleicht könnt ihr mir helfen.«
    Ein

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