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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Verdacht?« fragte ich.
    Sie war verwirrt. »Wofür?« Dann lächelte sie leicht und sagte: »Nein.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber möglich wäre es?« fragte ich.
    »Ja. Aber ich weiß nichts darüber.«
    Hatte sich Hitler mit einem Liebhaber gestritten? War der Streit eskaliert? »Haben Sie etwas verstanden von dem, was im Schlafzimmer gesprochen wurde?«
    Sie dachte kurz nach. »Nichts. Die Türen und Wände sind gut gedämmt.«
    »In diesem Fach sind Sie Expertin«, sagte ich lachend.
    Sie lächelte. »Gewissermaßen.«
    »Sie haben es sich durchs Lügen nicht leicht gemacht«, sagte ich.
    Sie hob ihre Hände und ließ sie wieder auf den Schoß fallen. »Ich weiß. Aber hier gibt es keine richtigen Polizisten mehr. Das sind alles Nazis. Die muss man anlügen.«
    »Aber man darf sich nicht erwischen lassen«, erwiderte ich und hoffte, das Zimmer werde nicht abgehört. Ich hatte Grüntner erlebt, und er war nicht der einzige, der die Strafprozessordnung für ein Hindernis hielt bei der Wahrheitssuche. Manchmal beneidete ich Menschen mit einem festumrissenen Weltbild, sie hatten es leichter.
    »Helfen Sie mir?« Sie schaute mich lange an.
    »Ja.« Ich ahnte, es würde Ärger geben. Ich ahnte allerdings nicht, wie viel.
     

III.
    I ch roch es schon, als ich die Treppen zu meiner Wohnung hochstieg. Es war ihr Parfüm. Was mich zum Schwitzen brachte, weiß ich nicht mehr. Die fünf Etagen oder die Angst vor dem, was kommen musste. Vielleicht war ich aber einfach nur fertig von der langen Fahrt von Erfurt nach Berlin. Wir hatten in einem lauten Hotel übernachtet und waren frühmorgens losgefahren. Kurz vor Beelitz war der rechte Hinterreifen geplatzt, und ich hatte mich schmutzig gemacht, als ich Wohlfeld half, das Rad zu wechseln. Rickmer hatte schweigend dabeigestanden. Auf der Fahrt gingen mir Sofia Schmolls Augen nicht aus dem Kopf. Sie waren ernst, nicht nur, weil sie in Polizeihaft saß und heute ins Untersuchungsgefängnis überführt wurde. Sie strahlte Ruhe aus, oder war es Überlegenheit? Mindestens das letztere gehörte nicht zu den typischen Eigenschaften eines Zimmermädchens oder einer gescheiterten Studentin. Sie hatte gelächelt, obwohl es ihr hundsmiserabel ging.
    Als ich vor meiner Wohnungstür stand, klapperte der Türspion gegenüber. Das kannte ich schon, meine Nachbarin Fräulein Wiese war so neugierig wie geschwätzig. Von den anderen Nachbarn, darunter ein Lehrer, ein Postbeamter und ein Kleinladenpächter, bekam ich kaum etwas mit. Fräulein Wieses Tür ging auf, sie steckte ihr faltiges Gesicht in den Spalt.
    »Sie haben ja wieder viel zu tun, Herr Kommissar«, sagte sie keifig. »Das Verbrechen ruht nicht. Es gibt viel zu wenig Polizisten. Was soll nur aus uns werden? Man traut sich kaum noch auf die Straße.«
    »Guten Tag«, sagte ich und öffnete die Tür meiner Wohnung. Gleich hörte ich ihre Schritte. Sie waren schnell und fest, ich kannte sie. Sie verkündeten Entschlossenheit und Unruhe. Sie stand vor mir, als ich die Tür geschlossen hatte.
    »Wo warst du?« fragte Erika.
    Ich überlegte mir, ob ich sagen sollte, es gehe sie nichts mehr an. »In Erfurt.«
    »Aha«, sagte Erika. Es klang energisch. Sie schüttelte ihre roten Haare, ohne die es unser Verhältnis nie gegeben hätte.
    Das Telefon klingelte. Erika eilte in kurzen, schnellen Schritten zum Telefonapparat an der Wand, gegenüber der Küchentür. Sie nahm ab und sagte unfreundlich: »Ja?« Sie hörte zu, dann hielt sie mir den Hörer entgegen.
    Es war die Sekretärin des Polizeipräsidenten. Melcher wollte gleich morgen früh meinen Bericht hören.
    Als ich auflegte, stand Erika dicht hinter mir. Ich hatte ihr Parfüm immer als aufdringlich und aufregend empfunden. Es war so wie sie.
    Sie legte einen Arm auf meine Schulter. »Ich habe dich vermisst.« Als hätte sie vergessen, wie es war, als sie ging. Es passte ihr nicht, wenn ich nachts Dienst schob, in den letzten Monaten hatte ich die Arbeit Erika auch vorgezogen. Ich hatte gehofft, sie würde für immer gehen, sie erstickte mich. Mit ihrem Geruch, ihrer lauten Stimme. Und ich ärgerte mich, weil sie trotzdem meine Eifersucht weckte. Danach warf ich mir vor, feige gewesen zu sein, ich hätte es früher und offen beenden sollen. Ich wusste schon nicht mehr, worüber wir gestritten hatten. Und wie passte das zusammen, die Eifersucht über Erikas nächtliche Eskapaden, während ich arbeitete, und meine Erleichterung, als sie ging?
    Ihre Hand spielte mit meinem Ohr.

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