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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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»Du warst gemein zu mir«, sagte sie.
    Ich ging in die Küche und setzte mich an den Tisch. Sie folgte, strich mir über die Haare, dann setzte sie sich auf den Stuhl gegenüber.
    »Wo warst du?«
    »In Weimar und Erfurt.«
    »Hitler?«
    Ich nickte.
    »Du leitest die Ermittlungen?«
    Ich nickte wieder. »Noch.«
    »Aha«, sagte sie. »Du bist ja eine große Nummer.«
    »Quatsch. Woher weißt du es?«
    »Die Zeitungen sind voll davon.«
    Ich lachte innerlich. Tolle Nachrichtensperre.
    »Hast du eine dabei?«
    »Eine Zeitung? Nein, wieso?«
    »Warum wohl?«
    »Jetzt wirst du wieder gehässig.«
    »Das stimmt nicht«, sagte ich.
    »Du gibst nie etwas zu.« Ihre Stimme trug wieder diesen beißenden Unterton. »Du bist unfähig, mit einer Frau zusammenzuleben. Du bist ein Eigenbrötler, einer, der nur sich braucht. Die Welt um dich herum ist dir gleichgültig, du kennst nur deine Arbeit. Leichen sind dir wichtiger als die Lebenden.«
    Das war übertrieben, aber nicht ganz falsch. Ich hörte Erikas Tirade, als schrie sie von der Straße zu mir herauf. Ich hatte es immer noch nicht begriffen, sie war zurückgekehrt.
    »Warst du eigentlich auch so, als deine Frau noch lebte?«
    Nein, sagte ich mir, da war ich anders. Als sie starb, hatte ich für einige Zeit das Gefühl gehabt, ihr Tod habe mir alle Kraft aus dem Körper gezogen. Ich konnte gehen, steigen, tragen, aber ich war fertig. Manchmal spielte ich mit meiner Pistole. Lauf in den Mund, abdrücken, erledigt. Nicht an die Schläfe, da könnte ich weiterleben als Irrer. Der Lauf schmeckte kalt und ölig.
    »Stefan, du hörst mir gar nicht zu.« Sie war laut.
    »Doch«, log ich.
    »Du bist gefühllos«, sagte sie.
    »Warum kommst du zurück, wenn du das glaubst?«
    »Erinnerst du dich an unser erstes Treffen? Als du mich Leuchtkäfer nanntest?«
    Es war in einem Gartenlokal im Grunewald gewesen. Ich saß allein an einem Tisch und beobachtete sie. Sie spielte Federball mit einer anderen Frau. Sie zog mich an. Sie sah hinreißend aus, aber gewiss waren es nur die zwei Jahre ohne Frau gewesen, die sie mein Interesse merken ließen. Dann landete der Ball neben meinem Stuhl. War es der Wind, hatte sie ihn mit Absicht hierhergeschlagen? Als sie ihn holte, sagte sie: »Sie interessieren sich aber sehr für Federball.«
    »Mehr noch für Leuchtkäfer.«
    Sie lachte und ließ sich auf einen Kaffee einladen.
    »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Bin ich jetzt nicht mehr dein Leuchtkäfer?«
    Ich stand auf und ging aufs Klo. Ich pinkelte und wusch mir die Hände. Dann schaute ich genauer in den Spiegel. Ich war im Oktober dreiundvierzig Jahre alt geworden. Auf der Stirn sah ich drei scharfe Falten, bald waren meine Haare überall grau, und vorn fraß die Glatze Schneisen. Unter den Augen fand ich kleine Tränensäcke. Am linken Wangenknochen erinnerte mich eine Narbe an den Streifschuss, den mir im Frühjahr ’17 ein Engländer verpasst hatte, meine einzige Kriegsverletzung. Sie bescherte mir eine Woche Genesungsurlaub. Als ich zurückkam in die Küche, sagte ich: »Nein, du bist es nicht mehr. Du bist gegangen, und ich war froh, als du weg warst.«
    Sie schluckte, dann kamen die Tränen.
    Die beeindruckten mich nicht mehr. »Du hast mich erdrückt, mir meinen Beruf vorgeworfen. Du kannst mit dir nichts anfangen, du brauchst jemanden, um ihn dir zu unterwerfen. Das kann nicht gutgehen.«
    Tränen füllten ihre Augen. Schluchzend sagte sie: »Das ist nicht wahr. Du hast mich benutzt. Wenn du mich gebraucht hast, war ich da. Ich habe deine Platzangst ertragen und deine Furcht vor allen möglichen Krankheiten. Ich habe dich ertragen, wenn du betrunken warst, und nichts gesagt, als du anfingst, vor dem Frühstück im Bett zu rauchen. Aber wenn ich dich brauche, bist du nie da.«
    Ich bemühte mich, Mitleid zu unterdrücken. Es gelang mir nicht.
    »In Wahrheit hast du den Tod deiner Frau nicht verwunden. Seitdem läufst du deprimiert durch die Gegend und machst auf einsamer Wolf. Fürs Bett bin ich dir gut genug, nur fürs Bett.«
    Ich schüttelte den Kopf und wusste, sie hatte recht.
    Sie stand auf und stellte sich hinter mich. Sie begann mir die Schultern zu massieren, dann Nacken und Kopf. »Sei nicht so gemein«, sagte sie leise.
    Ich roch ihr Parfüm, es stieß mich ab und zog mich an. Ich spürte die Erregung. Als ich mit dem Stuhl nach hinten rutschte, setzte sie sich auf meinen Schoß. Ich legte mein Gesicht an ihre Brüste, sie streichelte mir den Nacken. »Es geht nicht«,

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