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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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entlassen. Aber vorher müssen Sie das lesen.« Er setzte sich wieder hin und schaute mich an. Die Schublade blieb offen.
    Der Ordner war nur mit einer Ziffer beschriftet. Ich klappte ihn auf. Er enthielt eine Karte mit der Aufschrift MASCH Berlin Teilnehmerkarte. Darunter stand Sofia Schmoll. Ich hielt die Karte hoch. »Was ist das? Wo haben Sie das her?«
    Grüntner zeigte Stirnfalten. Er wollte mir vielleicht bedeuten, meine Fragen seien dumm. »Wir haben die Wohnungen von Leutbold und Schmoll durchsucht. Und das unter anderem haben wir dabei gefunden.«
    »Ich hoffe, Sie hatten einen Durchsuchungsbefehl.«
    »Nach StGB Paragraph 94 folgende«, sagte Grüntner trocken.
    »Und was heißt MASCH?«
    »Marxistische Arbeiterschulung, eine Propagandaorganisation der KPD.«
    Ich betrachtete die Karte genauer. Demnach hatte Sofia Schmoll an einem Kurs über Astronomie teilgenommen. Sie hatte mich belogen. Wer an einem MASCH-Kurs teilnahm, kannte das Kürzel KPD.
    »Und was hat die Astronomie mit dem Mord zu tun?« Die Frage rutschte mir heraus, ich hätte sie am liebsten zurückgeholt.
    »Mit der MASCH will die KPD Einfluss gewinnen.«
    »Gut, Frau Schmoll hat die Ahnungslose gegeben, als sie nach den Kommunisten gefragt wurde.« Ich hätte fast gesagt, ich könne sie verstehen angesichts der politischen Umstände in Thüringen.
    »Sie hat gelogen«, sagte Rickmer.
    »Genau«, sagte Grüntner. »Und das macht sie nicht glaubwürdiger in den anderen Punkten.« Er sah so aus, als hätte er weitere Überraschungen parat.
    Ich wandte mich wieder dem Ordner zu. Das nächste Dokument war ein blaues Buch mit dem Aufdruck K. P. D. Ich schlug es auf und las K. P. D. Bezirk Berlin-Brandenburg, eine Zeile darunter Gottfried Leutbold.
    »Gut, Leutbold ist Kommunist. Aber ist er deshalb ein Mörder?«
    »Das halte ich für wahrscheinlich«, sagte Grüntner. »Ich weiß jedenfalls, er hat uns belogen, genauso wie seine Komplizin. Aber es kommt noch besser. Beide haben sich vor einigen Monaten beim Elephant um Arbeitsstellen beworben.«
    »Frau Schmoll kommt auch aus Berlin?«
    »Natürlich, Sie sollten gelegentlich die Personalakten der beiden einsehen. Und warum sollte sie sonst einen MASCH-Kurs in Berlin besuchen?«
    Es war eine Niederlage. Und sie wuchs mit jedem Wort Grüntners. Als stünde ich neben mir, begann ich zu bewundern, wie er mir einen Schlag nach dem anderen versetzte. Ich versank zeitweise in einem Nebel, wusste nicht, wie ich mich wehren konnte. Ich hasste mich selbst, weil ich auf ein Pärchen hereingefallen war, das mich nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt hatte. Erst die beiden, dann Grüntner. Ich war gelähmt, brachte nichts heraus. Sofia Schmolls Gesicht stand mir plötzlich vor Augen, ihre Tränen. War ich sentimentaler Bock dem schlichtesten Trick der Kriminalgeschichte aufgesessen?
    »Ach ja, die gute Frau Schmoll. Die ist alles Mögliche, nur kein Zimmermädchen.«
    Ich muss blöd ausgesehen haben, als ich Grüntner anstarrte.
    »Die hat in Berlin Physik und Geschichte studiert, hat kommunistische Versammlungen besucht. Ich gestehe, wir wissen nicht, ob sie Mitglied ist. Aber das ist nicht so wichtig. Sie ist gemeinsam mit Leutbold nach Weimar gekommen. Die beiden sind ein Pärchen, so einfach ist das.«
    Ich erinnerte mich an Sofia Schmolls Antwort auf meine Frage, ob sie Leutbold kenne. Nein, der habe erst vor einigen Wochen im Hotel angefangen, hatte sie geantwortet.
    »Warum haben die sich beim Hotel beworben?« Ich war Rickmer dankbar für die Atempause. Ihr folgte der nächste Schlag.
    »Weil im Elephant die Prominenz absteigt, vor allem der Führer. Jeder weiß, der Führer reist oft von München nach Berlin. Er macht gern in der Hauptstadt der Kultur Station, und immer übernachtet er im Elephant.«
    Rickmer stand auf und ging ein paar Schritte. Offenbar tat er das, wenn er sich aufregte. »Das heißt also, die beiden sollten Hitler töten, sobald sich die Gelegenheit ergab. Sie mussten nur warten.«
    »Gut kombiniert, Sie sollten Kriminalist werden«, sagte Grüntner.
    »Und die beiden sollten den Mord dilettantisch aussehen lassen, damit bloß kein Verdacht fällt auf die KPD.«
    Ich fand meine Fassung wieder. Ich zündete mir eine Zigarette an.
    »Haben Sie einen einzigen Beweis dafür, dass die KPD Hitler ermorden wollte?«
    Grüntner grinste. »Ich weiß nicht, ob Sie Zeitung lesen. Wenn man den Berichten glauben darf, gehört es zu den Lieblingsbeschäftigungen der Kommune,

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