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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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immer geklappt«, sagte ich. Ich kämpfte gegen die Angst an. Seit dem Krieg hatte ich auf niemanden mehr geschossen. Er antwortete nicht, vielleicht hatte er mich nicht gehört.
    »Wir müssen mal sehen, wie wir die Lage aufklären können«, sagte Gutmann. »Gibt es da so was wie einen Nachtportier?«
    »Normalerweise schon.«
    »Na, was ist schon normal?« sagte Gutmann. »Ich werde mal nachsehen. Wenn es einen Portier gibt, liefern wir Sie bei dem ab. Wenn nicht, was machen wir dann?«
    »Dann brechen wir ein, und ich überrasche die Herren morgen früh mit meinem unrasierten Gesicht.«
    Gutmann schüttelte den Kopf. Er fand es verrückt. Es war verrückt. Er öffnete den Kofferraum und steckte eine Flachzange in die Hosentasche.
    Wir gingen los, Gutmann führte uns. Wir schlichen durch ein im Dunkeln liegendes Wohnviertel. Nach wenigen Minuten hob der Gefreite die Hand. »Da vorne ist es«, sagte er. Im blassen Mondlicht erkannte ich die Umrisse eines riesigen Gebäudes. »Hier hinten ist ein Zaun«, sagte Gutmann. »Warten Sie hier!« Er verschwand.
    Meier stand neben mir und schaute sich um. Ich sah die Unruhe in seinen Augen. Es raschelte, ich hatte die Pistole in der Hand. Gutmann kehrte zurück. »Ein Stück weiter vorne ist eine gute Stelle.«
    Ich folgte ihm. Meier hielt sich an meiner Seite, den Lauf des Gewehrs in der Armbeuge. Gutmann führte uns zu einer Stelle, wo hinter dem Zaun ein Busch das Mondlicht verschattete. Er beugte sich auf die Knie und zeigte uns an, ebenfalls in die Hocke zu gehen. Ich hörte mich atmen. Im Schatten des Buschs kniff Gutmann mit der Zange ein Loch in den Zaun. Mit einer Handbewegung wies er Meier und mich an zu bleiben. Er kroch durch das Loch auf den Busch zu. Dann sah ich ihn nicht mehr. Meier starrte regungslos auf die Stelle, wo sein Kamerad verschwunden war. Ich setzte mich auf den Boden und lehnte mich an den Zaun.
    Ich hörte ein Brummen, es wurde lauter. Dann sah ich dünne Lichter, ein Auto. Es näherte sich langsam. Wir drückten uns fest an den Zaun, in den Schatten des Buschs. Ich spannte den Hahn der Luger und hörte, wie der Soldat den Sicherungshebel seines Gewehrs umlegte. Mir war dieses Geräusch so vertraut, als wäre ich im Schützengraben. Ich erkannte die Scheinwerfer des Autos. Sie waren zum Teil verklebt. Die beiden Lichtstrahlen ließen das nasse Kopfsteinpflaster glänzen. Es war ein dunkler Personenwagen. Er fuhr langsam an uns vorüber. Einen Augenblick fürchtete ich, der Wagen hielte an. Aber er rollte an uns vorbei. Wer immer es war, er hatte uns übersehen. Ich schaute den Rückleuchten nach.
    Wir warteten lange. Endlich kam Gutmann zurück zum Loch. »Einen Nachtportier oder sonstwen habe ich nicht gesehen. Nirgendwo Licht. Die Herren haben sich verkrochen bei Mama. Aber ich weiß, wie wir reinkommen. Jedenfalls in den Keller. Folgen Sie mir!« Ich kroch durch das Zaunloch, Meier tat es mir gleich. Gebückt rannte Gutmann zu dem Riesenbau vor uns. Wir liefen hinterher. Immer wieder schauten wir uns um, ob hinter oder seitlich von uns jemand zu erkennen war. Zwei einzelne Schüsse weit weg. Wir erreichten die Mauer, Gutmann kauerte sich auf den Boden. Wir schnauften schwer. Dann folgte er der Mauer nach links. Nach wenigen Metern kniete er sich auf den Boden. Es klirrte leise. Ich erkannte schemenhaft, wie er ein Kellerfenstergitter öffnete. »Schloss kaputt«, flüsterte er. Mit den Füßen zuerst kroch er in das Loch. Er ließ sich hinunter, bis nur noch die Fingerspitzen am Fensterrahmen zu sehen waren. Dann verschwanden auch die Fingerspitzen. Ich hörte einen Aufprall und ein Scheppern. »Scheiße«, sagte der Gefreite mit erstickter Stimme. »Warten Sie!« Ich hörte ein Schleifen, etwas quietschte. Dann erschien der Helm des Gefreiten in der Fensterluke. »Ich habe einen Tisch unter die Öffnung geschoben. Lassen Sie sich hinunter, bis Sie auf dem Tisch stehen.« Der Helm verschwand. Ich kletterte durch die Fensteröffnung hinunter, bis meine Füße Halt fanden. Ich sprang vom Tisch ins Dunkel. Es staubte. Meier reichte Gutmann sein Gewehr und kletterte ebenfalls in den Keller.
    Wir standen dicht gedrängt im Staub. Ich musste husten. Gutmann entzündete ein Streichholz. »Lauter Papier«, sagte er. Ich erkannte Regale an den Wänden mit Aktenordnern. Gegenüber dem Fenster, durch das wir eingestiegen waren, lag eine Tür. Im verglühenden Licht des Streichholzes ging ich zur Tür und drückte die Klinke. Die Tür war nicht

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