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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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abgeschlossen. Ich öffnete die Tür, hintereinander verließen wir den Archivraum. Gutmann fasste mich am Arm und hielt mich zurück. Er wollte führen, er fühlte sich verantwortlich für mich. Wir gingen ein paar Schritte, dann lief ich gegen den ausgestreckten Arm des Gefreiten. Meier lief auf mich auf, sein Karabiner schlug gegen sein Koppel. Ich hielt den Atem an. Es war nichts zu hören. Gutmann zündete ein weiteres Streichholz an. Wir standen in einem Gang, der in eine Treppe nach oben mündete. Das Streichholz erlosch, als wir die Treppe erreicht hatten. Im Dunkeln stiegen wir in Reihe die Stufen hinauf. Als wir oben angekommen waren, blieben wir stehen und lauschten. Es war nichts zu hören. Es zischte, als Gutmann das nächste Streichholz entfachte. Wir standen in einem breiten Gang, Türen an beiden Seiten.
    »Dahinten ist der Haupteingang«, sagte Gutmann. »Warten Sie hier an der Wand.« Er verschwand. Ich fühlte mich einigermaßen sicher, wenn der Gefreite bei mir war, Angst erfasste mich, wenn er allein loszog. Ich klammerte meine Hand um den Griff der Luger. Aber welche Chancen hätten wir gehabt, wenn eine Wache uns entdeckte? Sie würden das Gebäude sofort abriegeln und jeden Winkel absuchen nach uns. Weit vorn sah ich den Lichtschein, Gutmann hatte wieder ein Streichholz entzündet. Dann hörte ich Tritte. Sie kamen näher. Gutmann lief schnell. »Wirklich nichts und niemand. Alle ausgeflogen. So schnell stört uns hier keiner.«
    »Es sei denn, einer beobachtet von außen das Licht«, sagte ich.
    Gutmann schüttelte den Kopf. »Zu wem wollen Sie? Da vorne gibt es einen Lageplan.«
    Ich überlegte einen Augenblick, dann sagte ich: »Oberreichsanwalt Dr. Voß.«
    Ich deutete in Richtung Haupteingang. Ich wusste nichts Besseres. Der Gefreite ging zurück zum Haupteingang und suchte im Schein eines brennenden Streichholzes auf dem Lageplan nach dem Dienstzimmer des Oberreichsanwalts. »Zweiter Stock, Zimmer 27«, sagte er, als er zurückkehrte.
    Ich ging zur Treppe, die beiden Soldaten folgten zögernd.
    »Und was haben Sie vor?« fragte Gutmann.
    »Ich warte auf Dr. Voß.«
    »Aha«, sagte der Gefreite. Er kratzte sich unterm Stahlhelm. »Haben Sie eigentlich was Schriftliches?«
    Ich stellte mich dumm.
    »Na, einen Befehl oder wie das bei Ihresgleichen heißt, dass Sie diese beiden Gefangenen nach Berlin überführen sollen.«
    »Habe ich nicht mehr, der liegt in meinem Auto an der Straßensperre«, log ich.
    Der Gefreite blieb auf der Treppe stehen. »Das heißt, der Oberreichsheini soll Ihnen das glauben.«
    »Ja.«
    »Tut der das denn?«
    »Würden Sie mir das etwa nicht glauben?«
    Gutmann fing an zu lachen. Meier starrte mich aus großen Augen an. Warum sprach er nie? »Und wie wollen Sie den Oberreichsirgendwas überzeugen?«
    Ich deutete auf meinen Mund.
    »Sie sind verrückt«, sagte Gutmann.
    Ich mühte mich, ruhig zu klingen. »Mag sein. Aber wenn wir die beiden nicht nach Berlin bringen, dann werden die hier gelyncht, jedenfalls wenn die Nazis das Reichsgericht und das Untersuchungsgefängnis besetzen. Dann kann ich meinen Fall nicht mehr lösen. Es ist gewissermaßen Gefahr im Verzug, das werde ich dem Herrn Oberreichsanwalt schon klarmachen.«
    »Wenn er kommt.«
    »Wenn er kommt.«
    »Wenn nicht?«
    »Dann müssen wir suchen.«
    Wir liefen den Gang entlang, bis wir das Zimmer des Oberreichsanwalts fanden. Es waren zwei Türen. Neben der einen war ein Schild befestigt: »Oberreichsanwalt Dr. Voß. Zugang nur durch das Sekretariat«. Ich drückte die Klinke, die Tür war abgeschlossen.
    »Können Sie die öffnen?« fragte ich den Gefreiten.
    »Warum?« fragte Meier. Er sagte zum ersten Mal etwas. Es klang Plattdeutsch in der Stimme mit.
    »Wollen Sie hier im Gang warten?« erwiderte ich.
    »Also, die Tür eines Oberreichsanwalts habe ich noch nicht aufgebrochen«, sagte Gutmann. Meier nickte. »Nachher landen wir im Bau«, sagte Gutmann. Meier nickte. »Ich glaube, was Sie da machen, ist gegen das Gesetz«, sagte er.
    »Wir haben Bürgerkrieg«, sagte ich. »Welches Gesetz?«
    »Aber Sie sind doch Polizist«, sagte Gutmann.
    »Das geschriebene Gesetz«, sagte Meier. »Ich habe es nie gelesen, aber ich glaube nicht, dass es darin heißt, man darf die
    Tür eines Oberreichsanwalts aufbrechen. Im Reichsgericht!«
    Verzweiflung überkam mich. Wenn ich verzweifelt war, redete ich Unsinn. So auch in diesem Fall. »Es steht in keinem Gesetz, dass es verboten ist. Im Gesetz steht aber, wir

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