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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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dass in drei Fällen Öl mit im Spiel war. Natürlich, Öl gab es an vielen Orten, und es gab viele Möglichkeiten, mit Öl in Berührung zu kommen, vor allem für Kraftfahrer. Aber welcher Spur, sofern ich davon sprechen konnte, sollte ich sonst folgen?
    Wohlfeld und seine Leute durchsuchten gerade die Rennbahn. Vielleicht fanden sie dort etwas. Vielleicht führten uns die Schwimmversuche aber auch nicht weiter. Es war nicht auszuschließen, dass Röhms Leiche ein Stück in einem Boot befördert worden war, bevor die Mörder sie ins Wasser warfen. Ebenso konnte die Leiche hängengeblieben sein, also gar nicht so weit entfernt vom Ruderverein Markomannia ins Wasser geworfen worden sein. Wenn die Spuren nicht mehr zu bieten hatten, war man arm dran als Kriminalist.
    »Ich war gestern im Bett«, sagte ich.
    »Ich weiß«, erwiderte er. »Aber es hat Sie wohl mehr angestrengt als die Arbeit.« In seiner Antwort schwang eine Frage mit.
    Als Münting gegangen war, rief ich Wegner. Er hatte mit seinen Leuten Strassers Wohnung durchsucht, aber keine Spuren gefunden. Zwar gab es Fingerabdrücke in Massen, aber nur von Strasser und seiner Reinemachefrau. Die Klinken waren abgewischt, die Täter hatten sich die Schuhe abgetreten, bevor sie die Wohnung betraten, und Mein Kampf war ein druckfrisches Exemplar.
    Ich schickte Wegner zur Rennbahn und lehnte mich zurück. Die Augen brannten teuflisch, der Kopf schmerzte, der Husten war tief eingedrungen in die Bronchien, während der Reiz sich abschwächte. Ich sortierte meine Vermutungen.
    Es war wenig, zu wenig, um auch nur einen vagen Verdacht entstehen zu lassen. Die Motive waren ebenso unklar. Wer hatte ein Interesse daran, die Naziführung auszulöschen? In Frage kamen die politischen Gegner, auch die Rivalen in der Regierung. Vielleicht war Papen so zerfressen vom Ehrgeiz, dass er morden ließ, vielleicht Schleicher, vielleicht die Sozialdemokraten, vielleicht die Kamarilla um Hindenburg einschließlich Papen, vielleicht parteiinterne Konkurrenten, vielleicht Göring, der sich zum Nachfolger des Führers aufschwingen wollte. Die Taten waren so abenteuerlich, dass ich mich berechtigt fühlte, abenteuerliche Hypothesen aufzustellen. Nur durfte ich sie niemandem mitteilen.
    Frau Wuttke klopfte: »Das Büro des Herrn Ministerpräsidenten hat angerufen. Sie sollen dem Herrn Ministerpräsidenten berichten, jetzt, sofort.« Sie schaute mich an, als wollte sie sich entschuldigen.
    Ich fuhr zum Palais des Ministerpräsidenten mit der Absicht, meine Fragen loszuwerden. An der Pforte musste ich warten. Dann erschien ein SA-Mann, am Gürtel eine Pistolentasche, aus der der Griff einer Luger 08 ragte. Er hatte zwei Schmisse im Gesicht und Stoppelhaare, sie endeten weit über den Ohren. Er schnarrte: »Folgen Sie mir«, und marschierte los. Er ignorierte den Aufzug und führte mich eine breite Treppe hoch. »Warten Sie!« Er verschwand hinter einer Doppelflügeltür. Nach wenigen Sekunden erschien er wieder. »Der Herr Ministerpräsident erwartet Sie!« Er zeigte mit ruckartig gestreckter Hand auf eine Tür, die von dem Vorzimmer abzweigte, an dessen Schwelle ich stand. Der SA-Mann marschierte zu dieser Tür, klopfte und öffnete, ohne auf ein Herein zu warten. Er trat einige Schritte in das Zimmer, an dessen Ende ich einen mächtigen Schreibtisch erkannte, dahinter der Mann, den jeder in Deutschland kannte, erst als Fliegeras, dann als Reichstagspräsident, jetzt als Führer der von Linken gesäuberten Nazipartei, als Vizekanzler, Reichsinnenminister, Ministerpräsident sowie Innenminister des weitaus größten Landes im Deutschen Reich.
    Ich war Beamter der preußischen Polizei, und Göring war mein oberster Dienstherr. Er saß über Akten gebeugt und trug eine weiße Uniform auf dem mächtigen Leib. Sein Gesicht war aufgedunsen, die Wangen schlaff. Er hatte kluge Augen, ich erkannte es gleich, als er mich spöttisch anlächelte. »Sie sind also der Kommissar, der mich vernehmen will«, sagte er. Die Stimme klang voll, fast gemütlich. Er wies auf den Besucherstuhl gegenüber seinem Schreibtisch. Freundlich sagte er zu dem SA-Mann: »Danke, Sturmbannführer Bauer.« Er wandte sich an mich und sagte: »Mein Adjutant, einen besseren gibt es nicht.«
    Der Sturmbannführer riss den Arm hoch, drehte sich mit knallenden Hacken um, marschierte hinaus und schloss die Tür.
    Ich kämpfte gegen das Gefühl an, klein zu sein. Göring schob den niedrigen Aktenstapel zur Seite und sagte: »Papier

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