Der Cop und die Lady
Mike ist hier, weil ich ihn eingeladen habe.”
Juliens Gesichtsausdruck veränderte sich, aber Nina fuhr entschlossen fort:
„Hört auf, euch zu streiten, alle beide. Ich bin nicht unzurechnungsfähig. Ich habe nur mein Gedächtnis verloren. Punkt. Julien, mir scheint, wir beide haben einiges miteinander zu besprechen, aber ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst.
Ich wünschte, du könntest mir erklären, warum kein Mensch ein
Sterbenswörtchen von unserer Verlobung erwähnt hat.”
Julien ging durchs Zimmer und setzte sich neben Nina auf die Couch. Sig, der reglos wie eine Statue Mike zu Füßen saß, verfolgte wachsam jede von Juliens Bewegungen. Ebenso wie Mike.
„Entschuldige, Liebes.” Julien fuhr sich über sein hübsches Gesicht, dann nahm er Ninas Hand und drückte sie zärtlich. „Aber du musst verstehen, dass das alles ein bisschen viel für mich ist. Ich habe Armand aus Genf angerufen, und da hat er mir von deiner … deinem Unfa ll erzählt. Selbstverständlich habe ich mir sofort einen Flüg gebucht und bin zurückgeflogen. Und nun platze ich in diese … Situation herein.” Er warf Mike einen finsteren Blick zu.
„Aber ich bin mir sicher”, dabei schaute er Nina tief in die Augen, „dass wir das klären können, Nina.” Seine Augen waren von einem klaren, hellen Grau. „Was auch immer du getan hast, ich verzeihe dir. Besonders, wenn du dich wirklich nicht mehr erinnerst…” Sein Blick suchte ihre Augen. „Weißt du denn tatsächlich überhaupt nichts mehr? Gar nichts?”
Nina schaute beiseite und schüttelte den Kopf. „Ich verstehe noch immer nicht”, beharrte sie eigensinnig, „warum niemand etwas von unserer Verlobung weiß. Ich warte auf eine Erklärung.”
Julien lächelte leise. „Das war deine Idee, Nina. Du hast darauf bestanden, unsere Beziehung geheim zu halten. Ich habe dir dauernd versucht beizubringen, dass das Unsinn ist, aber du hast dich geweigert, auf mich zu hören. An dem Abend, bevor ich in die Schweiz gefahren bin, haben wir uns verlobt. Und nach meiner Rückkehr wollten wir es öffentlich machen.”
„Ich verstehe. Und wie lange waren wir … hm … zusammen?”
„Oh, das hat sich in Windeseile entwickelt.” Julien lachte. „Es geht erst seit ein paar Wochen. Weißt du nicht mehr, dass du gesagt hast, dass sich wahre Liebe manchmal schneller ergibt als ein Augenzwinkern?”
„Ach, ja?” fragte Nina heiser. Sie warf Mike einen schnellen, gequälten Blick zu. Seine Augen, jetzt kalt wie blaues Eis, hielten sie auf Distanz. Doch hinter dieser Wand glaubte sie einen kurzen Augenblick einen Schimmer der Leidenschaft von vorhin aufblitzen zu sehen, dann wandte er sich ab. Ohne ein weiteres Wort ging er ins Schlafzimmer. Als Nina die Bettfedern quietschen hörte, sah sie ihn vor sich, wie er seine Schuhe anzog. Gleich würde er in sein Hemd schlüpfen, sich seine Lederjacke überwerfen und aus ihrer Wohnung gehen. Und aus ihrem Leben.
Steh auf. Geh ins Schlafzimmer und halt ihn zurück. Lass es nicht so enden.
Doch ihre Hand lag noch immer in der von Julien, der einen neuen Anlauf nahm, indem er sich räusperte. „Wirklich, Nina”, fuhr er dann mit ruhiger Stimme fort,
„es tut mir leid, dass ich mich eben so habe gehen lassen. Aber ich war wirklich schockiert, weißt du. Ich bitte dich dennoch: Gib mir eine Cha nce. Gib uns eine Chance. Ich weiß, dass du mich liebst. Und ich werde es schaffen, dass du dich wieder erinnerst - wenn du es zulässt.” Er beugte sich zu ihr herüber, um sie zu küssen, aber sie zuckte zurück.
„Entschuldige”, stammelte sie, „aber verstehst du mich denn nicht? Es kommt mir so vor, als würde ich dich überhaupt nicht kennen.”
Julien lächelte. „Doch, ich verstehe, Liebes”, sagte er zärtlich. „Ich verspreche dir, mich in Geduld zu üben.”
Plötzlich spürte sie etwas Kaltes, Nasses an ihrer Hand, und als sie nach unten schaute, sah sie, dass es Sigs Schnauze war. Der große Hund rieb seinen Kopf leise jaulend an ihrer Hand. Nina streichelte ihm übers Fell, wobei sie murmelte:
„Ist ja gut, Großer.”
Perfektes Timing, dachte Mike, der in diesem Moment aus dem Schlafzimmer trat, deprimiert. Ich würde eine Rolle rückwärts machen vor Freude, wenn sie mir sagen würde, dass alles gut ist.
„Du lieber Gott!” Julien deutete auf das aufgeschlitzte Sofakissen, mit dem sich Sig den Abend über beschäftigt hatte. „Das Vieh hat dir ja dein Sofakissen total ruiniert.”
Sig fuhr empört
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