Der Coup von Marseille
seine Wirkung. Soll ich mal ein Wörtchen mit den Jungs reden?«
Seine Lordschaft überdachte die jeweiligen Vorzüge der beiden Problemlösungen. Zweifellos würde ein Zusammentreffen mit Brian und Dave die Begeisterung, mit der dieser Journalist seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen, spür bar dämpfen. Andrerseits, wenn er käuflich war, bestand die Möglichkeit, dass er mit einem anderslautenden Artikel die Werbetrommel für Wappings Projekt rührte – oder vielleicht sogar mit einer ganzen Reihe von Artikeln. Also Bares, beschloss er.
»Aber sorg dafür, dass es in der Familie bleibt, Ray. Ich möchte, dass du die nötigen Schritte höchstpersönlich einleitest.«
»Angenommen, er versteht kein Wort Englisch?«
»Das muss er auch nicht; es reicht, wenn er das Geld sieht. Jede Wette!«
Die Unterredung war fast beendet, als Wappings Telefon läutete – eine hochgradig erregte Patrimonio war am anderen Ende der Leitung. Wapping schnitt ihm das Wort ab.
»Kein Grund, auf die Palme zu gehen, Jérôme. Wir kümmern uns bereits darum. Nein, spar dir die Fragen. Du willst es nicht wirklich wissen.«
Ein erleichterter, gleichwohl leicht verdutzter Patrimonio legte den Hörer auf und drückte auf d en Summer der Sprech anlage auf seinem Schreibtisch. Seine Sekretärin erschien. »Nathalie«, sagte er. »Du kannst doch perfekt Englisch. Was hat dieser Gang auf die Palme zu bedeuten?«
Sam las den Artikel noch ein zweites Mal, genauer und langsamer als beim ersten Durchgang, bevor er Philippe anrief.
»Nun, mein Freund, ich fürchte, du hast dir heute Morgen einen oder zwei Feinde gemacht«, begrüßte er ihn. »Schon irgendwelche Reaktionen?«
»Meinem Verleger hat der Artikel gefallen. Mimi findet ihn klasse. Was die Leser davon halten, werden wir später am Tag erfahren. Und, was sagst du dazu?«
»Ich würde kein einziges Wort ändern wollen. Aber ich schätze, die Fanpost von Wapping und Caroline Dumas wird leicht unterkühlt ausfallen.«
Philippe lachte. »Wenn es mir darum ginge, mich einzuschleimen, wäre ich Politiker geworden. Was machst du heute?«
»An meiner Präsentation feilen. Und ich muss noch ein paar Anrufe erledigen. Und was steht bei dir auf dem Programm?«
»Du wirst es nicht glauben. Heute Nachmittag findet an einem der Strände eine Demonstration vom Ortsverband der Nudistes de France statt. Sie wollen eine Gesetzesänderung durchsetzen, um sich nackt sonnen zu können. Wird bestimmt lustig.«
Sam überlegte, dass jemand wie Philippe in Kalifornien, wo sogar ein Nacktbadeverbot herrschte, nichts zu lachen hätte.
Er konzentrierte sich wieder auf seine Präsentation. Sie war beinahe in trockenen Tüchern bis auf eine entscheidende Frage. Wo sollte sie stattfinden? Er hatte eine Idee, doch sie war kompliziert, und im Alleingang würde er sie niemals umsetzen können. Er griff abermals zum Telefon; dieses Mal rief er Reboul an.
»Francis, ich denke, es ist an der Zeit für ein persönliches Treffen. Ich möchte, dass Sie sich die Präsentation ansehen, und ich hätte da ein paar Ideen, die ich Ihnen gerne erläutern würde. Haben Sie irgendwann im Laufe des Tages Zeit?«
Sam vernahm das Rascheln von Papier, im ersten Moment dachte er, jemand zähle Geldscheine, aber dann vermutete er, dass Reboul ganz altmodisch in seinem Terminkalender blätterte. »Ich könnte mir heute Nachmittag zwischen vier und sechs freinehmen. Allerdings sollten wir darauf achten, dass uns niemand zusammen sieht. In Marseille wimmelt es von Leuten, die extrem neugierig sind und ein loses Mundwerk haben.« Reboul schwieg einen Moment, dann hörte Sam, wie er stillvergnügt in sich hineinlachte. »Natürlich! Ich weiß, wo wir uns treffen. Ich habe da ein kleines Gestüt in der Camargue. Dort sind wir völlig ungestört. Oliver kann Sie hinfahren. Sagen wir um halb fünf?«
Sam wusste nur zwei Dinge über die Camargue: dass es sich um eine weitläufige, sumpfige Ebene handelte und dass sie einen Teil des Jahres überwiegend von Flamingos und besonders großen und blutrünstigen Angehörigen der Moskitofamilie vereinnahmt wurde. Während er auf der Terrasse stand und auf Olivier wartete, blätterte er in einem Reiseführer, den er der Hausbibliothek entnommen hatte, und war auf Anhieb fasziniert.
Die Camargue gehörte zu den ersten Landstrichen, die Amerika mit Cowboys beliefert hatten – Viehhirten, die den Flamin gos den Rücken kehrten, um in den Bayous, den Sümpfen von Lousiana und Texas,
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