Der Coup von Marseille
großen Schluck Bier. »Wo soll die Präsentation stattfinden? Die Kapelle der Charité hatten wir schon. Ein Standardbüro in einem Standardb ürokomplex oder im Konferenzraum eines großen Hotels wäre unpassend; das ist genau das Ambiente, gegen das wir zu Felde ziehen. Außerdem sind solche locations zu anonym und langweilig, und ich würde dem Ausschuss gerne eine Abwechslung bieten, eine, die sie im Eifer des Gefechts nicht vergessen. Daher schlage ich vor, die Präsentation am Strand abzuhalten.«
Rebouls runzelte sie Stirn, dann lächelte er. »Natürlich! Lassen Sie mich raten. Die Fischerbucht?«
»Genau. Die Kulisse ist perfekt. Mir schwebt vor, dort ein Zelt – ein großes Zelt, ein Festzelt – aufstellen zu lassen. Wir verwandeln es in eine Art inoffiziellen Konferenzraum, mit einem langen Tisch und Stühlen für den Ausschuss, vielleicht mit einer Bar …«
»Unbedingt mit Bar.«
»… und wir beraumen die Präsentation am Ende eines ganz normalen langen Arbeitstages an, in den frühen Abendstunden, bei Sonnenuntergang. Ich habe schon eine Ortsbesichtigung vorgenommen, um zu überprüfen, wann die Sonne untergeht. Ein atemberaubendes Schauspiel.« Sam hielt inne und wartete auf Rebouls Reaktion.
Reboul schüttelte den Kopf. »Sam, was soll ich dazu sagen außer: Bravo! Wie Sie bereits sagten, die Kulisse ist perfekt, ein echter coup de théâtre . Aber Sie werden Hilfe bei Ihrer Inszenierung brauchen, und es darf nicht der Eindruck entstehen, als käme diese Hilfe von mir.« Er blickte aus dem Fenster, dann nickte er. »Zum Glück habe ich eine oder zwei absolut zuverlässige Kontaktpersonen. Ich werde einen der beiden Männer bitten, Sie anzurufen. Sein Name lautet Gaston. Ihm können sie vertrauen. Er ist außerordentlich verschwiegen. Und sollte jemand wissen wollen, woher Sie ihn kennen, sagen Sie einfach, Sie sind ihm auf einer Cocktailparty begegnet.« Reboul erhob sich, eilte zu Sam und erteilte ihm das ultimative Gütesiegel, einen Kuss auf beide Wangen. »Glückwunsch, mein Freund. Glückwunsch.«
10. Kapitel
S am, ich glaube, ich habe ein Problem.« Philippes Stimme klang besorgt und ein wenig atemlos. »Es ist geschäftlicher Natur. Können wir reden?«
Inzwischen war Sam mit Philippes Arbeitsmethoden ausreichend vertraut, um zu wissen, dass man ein wichtiges Gespräch niemals am Telefon führen durfte; es musste von Angesicht zu Angesicht stattfinden. »Klar. Wo treffen wir uns?«
»Es gibt da eine kleine Bar in der Rue Bir-Hakeim, in der Nähe des Fischmarkts. Le Cinq à Sept. In einer halben Stunde. Wäre das in Ordnung?«
Wie bei einer von Philippe vorgeschlagenen Bar nicht anders zu erwarten, entpuppte sich Le Cinq à Sept als kleine, ein wenig heruntergekommene Kneipe mit dem unvermeidlichen Foto der Marseiller Fußballmannschaft des letzten Jahres an einem Ehrenplatz hinter der Bar. Ein versprengter Trupp alter Männer, die sich ihre Bartstoppeln für die Wochenendrasur aufgehoben hatten, waren die einzigen Gäste. Der Journalist hatte in einer halb verborgenen, schummrig beleuchteten Ecke Stellung bezogen. Zackig hob er die Hand zum Gruß. »Danke, dass du kommen konntest. Ich habe dir schon mal einen Pastis bestellt – der ist hier sicherer als Wein.«
Sam füllte sein Glas mit Wasser auf, bevor Philippe zu erzählen begann.
»Vor ungefähr einer Stunde verließ ich mein Büro, als mir ein Kerl den Weg versperrte – eine miese kleine Ratte in einem rasiermesserscharfen Anzug – und sich auf Englisch erkun digte, ob ich Mr Davin sei. Als ich bejahte, meinte er, heute könne mein Glückstag sein. Nun, in unserem Metier kann man ja nie wissen, woher der nächste Geheimtipp stammt, und deshalb erklärte ich mich einverstanden, ihn in ein Café zu begleiten, um mir anzuhören, was er zu sagen hatte. Ich bin mir nicht sicher, was ich eigentlich erwartete: Vielleicht irgendeine schlag zeilenträchtige Geschichte über die Engländer und ihre Jachten? Hier unten geraten sie oft in Schwierigkeiten, die Armen. Wie dem auch sei, er eröffnete mir, er habe meinen Artikel über die Erschließung der Anse des Pêcheurs gelesen und sein Klient fühle sich schwer gekränkt.«
»Hat er gesagt, wer sein Klient ist?«
»Das erübrigte sich. Nach ein paar Minuten war offensichtlich, dass er für diesen Engländer, diesen Wapping, arbeitet.«
»Wie hat er dich erkannt?«
»An meinem Haarschnitt. Erinnerst du dich? Am Anfang des Artikels befindet sich ein Porträtfoto von mir. Nun,
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