Der Coup von Marseille
anderen Kabinen weitermachen, wenn es recht ist.« Wapping stand auf der Schwelle der Kabine, klammerte sich an seinen Cognac und blickte ihnen nach, als sie den Hauptgang zu jenem Teil der Jacht entlangeilten, in dem die gewöhnlichen Sterblichen einquartiert waren.
Die erste Zwischenstation machten sie in Ray Prendergasts Unterkunft, wo ein niedriger Tisch Spuren seiner beiden gro ßen Leidenschaften aufwies. Neuere Ausgaben der Racing Post, dem britischen Journal des Pferderennsports, teilten sich den begrenzten Raum mit einer umfangreichen Preisliste von Geoffrey’s in Antibes (Sonderangebot der Woche: Original englische Bitterorangenmarmelade, Marke Cottage Delight).
Prendergast, ein lebendes Mahnmal der Feindseligkeit und des Misstrauens, beobachtete mit Argusaugen, wie Sam seinen Verrichtungen nachging und das Lichtmessgerät die Koje rauf und runter und kreuz und quer über das Kissen führte. Als er das winzige Bad betrat, brach Prendergast das Schweigen. »Sie werden diese unsinnige Suche doch wohl nicht auf dem ganzen Boot fortsetzen, oder?«
»Doch, leider«, ließ sich Daphne vernehmen. »In allen Kabinen, versteht sich. Außerdem in der Küche, in der Wäschekammer, im Lagerraum, sogar im Maschinenraum. Dr. Gi noux geht außerordentlich gründlich vor, vor allem in ernsten Fällen wie diesem. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie uns einen Grundriss des Schiffs zur Verfügung stellen können, nur um sicherzugehen, dass wir nichts auslassen.«
Prendergast antwortete nicht. Er war damit beschäftigt, die Risiken und Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen, und sobald das Inspektionsteam die Kabine verlassen hatte, begab er sich zu Lord Wappings Suite, um ihn über das Ausmaß dieser Durchsuchung zu unterrichten. Er begegnete seiner Lordschaft bereits im Gang.
»Billy, wir müssen etwas unternehmen.«
»Du hast verdammt recht.«
Sie eilten zum Sonnendeck hinauf, um dort ihre Unterhaltung in sicherer Entfernung von neugierigen Lauschern fortzusetzen.
»Sie ist am anderen Ende des Gangs untergebracht, oder? In der Gästekabine?«
Wapping nickte. »Bei dem Tempo, das sie anschlagen, bleibt uns genau eine Viertelstunde, um sie dort rauszuschaffen. Wenn diese wild gewordenen Ärzte sie finden, ist das Spiel aus. Zum Glück haben ihr die Jungs heute Abend eine weitere Dröhnung verpasst, sodass sie uns keine Scherereien machen kann. Aber wohin mit ihr, zum Teufel? Schaff mir Brian und Dave her.«
In der Kabine von Tiny de Salis entdeckten Sam und Daphne einmal mehr Hinweise auf die kulturellen Interessen und Vorlieben des Bewohners: eine alte Ausgabe der Old Etonian Review, die zu Beginn jedes Herbstsemesters veröffentlicht wird, und eine DVD mit dem Titel: Heiße Feger – Allzeit bereit! Außerdem fanden sie einen bemerkenswerten Vorrat an Marihuana in einer offenen Zigarrenschachtel auf dem Nachttisch. Von de Salis selbst war jedoch weit und breit keine Spur zu sehen.
Die Ereignisse im Gang nahmen den Charakter eines volkstümlichen Schwankes an, als Brian und Dave hinter verschiedenen Türen verschwanden und wieder auftauchten, bis sie zu der Kabine gelangten, die Sam und Daphne gerade in Augenschein nahmen. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Brian schloss sie lautlos und sperrte sie mit seinem Hauptschlüssel zu. Dann eilten die beiden zur Gästekabine.
Es dauerte gut fünf Minuten, bevor Brian zurückkehrte und auf das Hämmern an der Kabinentür reagierte. Er entschuldigte sich bereits, während er aufschloss. »Tut mir leid, Miss«, sagte er zu Daphne. »Das passiert manchmal, wenn der Verriegelungsmechanismus Macken hat. Verdammt ärgerlich, muss dringend repariert werden.«
»Gibt es Probleme?«, erkundigte sich Ray Prendergast zum ersten Mal dienstbeflissen, als er sich im Gang zu ihnen gesellte. Brian erklärte, was passiert war; Prendergast entschuldigte sich ebenfalls, fragte, ob er irgendwie behilflich sein könne, und bestand darauf, sie vorsichtshalber bei der weiteren Überprüfung des Schiffs zu begleiten. »Nur für den Fall, dass es noch einmal Probleme mit den Türen gibt.«
Sie wollten gerade mit der nächsten Kabine beginnen, als Daphnes Handy klingelte.
»Hallo?«
»Jo hier. Ich muss mit Sam sprechen.« Daphne sah, dass Prendergast ihr nicht von der Seite wich und die Augen auf das Handy geheftet hatte. »C’est l’hôpital«, sagte sie zu Sam. »Das ist die Klinik«, erklärte sie Prendergast. »Ein Gespräch für Dr. Ginoux, streng vertraulich.« Sie nahm
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