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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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des Stromes zu wagen.
    Zwanzig Minuten später hatten alle Drei die beschränkte Landungsstelle erreicht, einen kleinen Hafen, dessen letzte Häuser bis an das Niveau des Flusses herab reichten, etwa wie ein sich an Krasnojarsk anschließender kleiner Vorort.
    Auch hier fand sich jedoch kein Fahrzeug am Ufer, kein Kahn an der Pfahlwand, ja, nicht das Geringste, aus dem sich ein für drei Personen hinreichendes Floß hätte herstellen lassen.
    Michael Strogoff befragte Nadia über den Befund, und diese gab leider die wenig trostreiche Antwort, daß ihr unter den gegebenen Verhältnissen eine Ueberschreitung des Flusses schlechterdings unmöglich scheine.
    »Wir kommen hinüber«, erklärte Michael Strogoff.
    Die Nachsuchungen begannen auf’s Neue. Man durchstöberte die an dem Abhange gelegenen Gebäude, welche ebenso verlassen waren wie die in der eigentlichen Stadt. Höchstens die Thüren hätte man dort ausheben können. Es waren übrigens nur vollkommen leere Hütten ärmerer Leute. Nikolaus sah sich in der einen um, Nadia durchsuchte die andere. Selbst Michael Strogoff trat hier und da ein und tastete nach irgend einem Gegenstande, der ihm jetzt hätte von Nutzen sein können.
    Nikolaus und das junge Mädchen hatten sich vergeblich in den Hütten umgesehen und wollten schon jede fernere Nachsuchung aufgeben, als sie ihre Namen rufen hörten.
    Beide sahen sich auf dem Abhange um und gewahrten Michael Strogoff auf der Schwelle einer Hausthür.
    »Kommt hierher!« rief dieser.
    Die Beiden folgten sofort seinem Rufe und traten in das Hüttchen ein.
    »Was ist das hier? fragte Michael Strogoff und berührte mit der Hand verschiedene in einer Art Speisegewölbe liegende Gegenstände.
    – Das sind Schläuche, bedeutete ihm Nikolaus, wahrhaftig, ein volles halbes Dutzend.
    – Sind sie gefüllt?
    – Ja wohl, mit Kumiß, ein Fund zu sehr gelegener Zeit, um unseren Proviant zu erneuern.«
    Der »Kumiß« ist ein aus Stuten-oder Kameelmilch bereitetes stärkendes, sogar berauschendes Getränk, und Nikolaus hatte alle Ursache, sich dieses Fundes zu freuen.
    »Leg einen bei Seite, sagte Michael Strogoff zu ihm, aber entleere sofort alle übrigen.
    – Sogleich, Väterchen.
    – Diese sollen uns den Jeniseï überschreiten helfen.
    – Und das Floß?
    – Das stellt die Kibitka selbst vor, welche ja leicht genug ist, um selbst zu schwimmen. Uebrigens werden wir und das Pferd sie vermittels dieser Schläuche halten.
    – Gut ausgedacht, Väterchen, rief Nikolaus, und mit Gottes Hilfe werden wir glücklich den Hafen erreichen … vielleicht nicht in gerader Linie, denn die Strömung ist sehr stark.
    – Das thut nichts, versicherte Michael Strogoff. Laß uns nur erst hinüber kommen, die Straße nach Irkutsk finden wir schon wieder.
    – An’s Werk also«, sagte Nikolaus, der sofort daran ging, die Schläuche zu entleeren und sie nach der Kibitka zu schaffen.
    Nur ein mit Kumiß gefüllter Schlauch ward reservirt, die anderen, mit Luft aufgeblasen und sorgfältig verschlossen, sollten als schwimmende Träger dienen. Zwei derselben band man an die Seiten des Pferdes, um dieses über Wasser zu halten. Zwei andere wurden an dem Sitzkasten der Kibitka zwischen den Rädern angebracht, um diese zu tragen und sie als Floß benutzen zu können.
    Diese Arbeit war bald vollendet.
    »Du wirst Dich doch nicht fürchten, Nadia? fragte Michael Strogoff.
    – Nein, Bruder, erwiderte das junge Mädchen.
    – Und ich, rief Nikolaus, ich erreiche endlich die Erfüllung meiner Träume, gleich in der Kutsche zu schwimmen.«
    Das hier sanfter geneigte Ufer begünstigte den Stapellauf (wenn man so sagen darf) der Kibitka. Das Pferd zog sie bis zum Rande des Wassers, und bald schwamm der ganze Apparat sammt dem Pferde auf den Wellen des Flusses. Sersko schwamm dabei munter nebenher.
    Die drei in dem Sitzkasten stehenden Passagiere hatten aus Vorsicht die Fußbekleidung abgelegt, doch reichte ihnen, Dank der Tragkraft jener Schläuche, das Wasser kaum bis an die Knöchel.
    Michael Strogoff führte die Zügel des Pferdes und lenkte es, nach den Anweisungen, welche ihm Nikolaus gab, schief gegen den Strom, ohne das Thier im vorzeitigen Kampfe gegen das Wasser zu sehr anzustrengen. So lange die Kibitka sich direct mit der Strömung bewegte, ging Alles ganz gut von statten, und schon nach wenigen Minuten hatte sie die Quais von Krasnojarsk passirt. Sie wich dabei nach Norden zu ab, und es lag auf der Hand, daß sie das jenseitige Ufer nur weit

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