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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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stromabwärts von der Stadt erreichen werde. Doch hierauf legte man kein besonderes Gewicht.
    Die Fahrt über den Jeniseï wäre nun, trotz der sehr mangelhaften Hilfsmittel, ohne zu große Schwierigkeit ausgeführt worden, wenn sich die Strömung in ihren gewöhnlichen, regelrechten Verhältnissen bewegt hätte. Unglücklicher Weise kreuzten sich aber mehrere Wirbel auf der Oberfläche des schäumenden Wassers, und bald wurde die Kibitka, trotz aller Anstrengungen Michael Strogoff’s, sie in einer anderen Linie zu erhalten, unwiderstehlich in einen dieser Trichter hinein gezogen.
     

    Bald schwamm der ganze Apparat sammt dem Pferde. (S. 303.)
     
    Die Gefahr war groß. Die Kibitka hielt nicht mehr die Richtung nach dem östlichen Ufer ein, sie ging nicht ferner stromab, sondern drehte sich mit ungemeiner Schnelligkeit und nahm eine nach dem Mittelpunkte dieser Bewegung geneigte Stellung an, wie der Reiter auf der Bahn eines engen Circus. Ihre Schnelligkeit wuchs noch mehr. Das Pferd vermochte kaum noch den Kopf über dem Wasser zu halten und lief Gefahr, in dem Wirbel erstickt zu werden. Auch Sersko hatte einen Stützpunkt an der Kibitka suchen müssen.
    Michael Strogoff begriff recht wohl, was hier vorging. Er fühlte sich in einer immer enger werdenden Spirale dahin gezogen, der er nicht entgehen konnte. Er sprach kein Wort. Seine Augen schienen die Gefahr sehen zu wollen, nm sie leichter zu vermeiden – sie konnten es nicht!
    Auch Nadia schwieg. Ihre Hände klammerten sich krampfhaft an das Gerüst des Wagens, und so sicherte sie sich gegen die ungeordneten Bewegungen desselben, als er sich immer mehr dem Depressionscentrum zuneigte.
    Begriff auch Nikolaus den ganzen Ernst der Lage? Ueberwog in ihm das Phlegma oder die Verachtung der Gefahr, der Muth oder die Gleichgiltigkeit? Hatte das Leben keinen Werth für ihn und galt es ihm, nach einem Ausdrucke der Orientalen, so viel, »wie eine Hotelwohnung für fünf Tage«, die man wohl oder übel am sechsten Tage räumen muß? Jedenfalls zeigte sein immer lächelndes Gesicht keine Spur einer Veränderung.
     

    Seine Augen schienen die Gefahr sehen zu wollen. (S. 304.)
     
    Die Kibitka verblieb also in dem reißenden Strudel und das Pferd stand am Ende seiner Kräfte. Plötzlich warf Michael Strogoff alle Kleidungsstücke, die ihm hinderlich sein konnten, ab und stürzte sich in das Wasser; dann ergriff er mit mächtigem Arme den Zügel des halb scheu gewordenen Pferdes und riß es so mächtig fort, daß es sich bis über den anziehenden Kreiswirbel hinaus arbeitete, und sobald die Kibitka wieder in die geordnete Strömung kam, trieb sie mit erneuter Schnelligkeit weiter.
    »Hurrah!« rief Nikolaus.
    Nur zwei Stunden nach dem Verlassen des Landungsplatzes hatte die Kibitka den größeren Arm des Stromes überschritten und landete, freilich sechs Werst stromab von der Abfahrtsstelle, an dem Ufer einer Insel.
    Das Pferd zog nun den Wagen vollends hinauf auf das Land, wo dem wackeren Thiere gern eine Stunde Ruhe gegönnt wurde. Dann fuhr die Kibitka unter dem schützenden Dache prächtiger Birken quer über das ganze Eiland und langte an dem schmäleren Arme des Jeniseï an.
    Hier vollzog sich die Ueberfahrt leichter. Kein Wasserwirbel unterbrach den Strom des zweiten Bettes, die Bewegung des Wassers war aber eine so schnelle, daß die Kibitka das rechte Ufer erst fünf Werst stromabwärts erreichte. Im Ganzen war sie also um elf Werft verschlagen worden.
    Diese großen Stromadern des sibirischen Gebietes, welche bis jetzt noch nirgends überbrückt sind, bilden überall sehr fühlbare Hindernisse der Communication. Alle erwiesen sich auch Michael Strogoff mehr oder weniger verderblich. Auf dem Irtysch hatten die Tartaren die Fähre, welche ihn und Nadia trug, angefallen. Beim Obi war er, nachdem sein Pferd einer Kugel erlag, nur wie durch ein Wunder den ihn verfolgenden Reitern entkommen. Alles im Allem lief diese Ueberschreitung des Jeniseï noch verhältnißmäßig am glücklichsten ab.
    »Das wäre gar nicht so amüsant gewesen, äußerte Nikolaus, als er, sich die Hände reibend, das rechte Ufer hinauf stieg, wenn es nicht solche Schwierigkeiten geboten hätte.
    – Und was für uns nur schwer durchzuführen war, antwortete Michael Strogoff, das, guter Freund, wird für die Tartaren nahezu unmöglich sein!«
Achtes Capitel.
Ein Hase, der über der Weg läuft.
    Michael Strogoff konnte nun endlich glauben, daß die Straße bis nach Irkutsk frei sei. Er hatte die

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