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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Nacht reisen, – ich sage Tag und Nacht, denn ich darf keinen Augenblick verlieren und muß ohne Säumen nach Irkutsk eilen.
    Ich werde Dich nicht aufhalten, Bruder, nicht eine Stunde; wir wollen Tag und Nacht fahren.
    – Nun, Nadia, wenn uns der Einfall der Tartaren nicht die Wege verlegt, so können wir vor Verlauf einer Woche angekommen sein.
    – Du hast diese Reise schon einmal gemacht?
    – Schon mehrere Male.
    – Im Winter würden wir schneller und sicherer vorwärts kommen, nicht wahr?
    – Schneller gewiß, doch würdest Du von der Kälte und dem Schnee schwer gelitten haben.
    – Warum? Der Winter ist ja des Russen Freund.
    – Ja wohl. Nadia aber es gehört doch ein gewisses Temperament dazu diese Freundschaft auszuhalten. Wiederholt habe ich die Kälte in den Steppen Sibiriens bis unter vierzig Grad herabgehen sehen. Ich habe trotz meiner Kleidung aus Rennthierfell 1 mein Herz sich mit Eis überziehen, meine Glieder sich zusammen krümmen, meine Füße unter dreifacher wollener Umhüllung erfrieren sehen! Ich sah die Pferde meines Schlittens bedeckt mit einem Eispanzer und ihren Athem vor den Nüstern erstarren. Ich sah es, wie der Branntwein in meiner Kürbisflasche zu Stein wurde, so daß kein Messer ihn schneiden konnte! … Mein Schlitten aber flog dahin wie ein Orkan! Da gab es keine Hindernisse auf der geglätteten und unübersehbaren weißen Ebene! Keine Wasserläufe, durch die man sonst eine passirbare Furth suchen mußte! Keine Seen, welche Schiffe nöthig machten! Allüberall das harte Eis, die freie, sichere Straße. Aber um den Preis welcher Leiden, Nadia! Die allein könnten sie melden, welche nicht wiederkamen und deren Leichname der wehende Schnee begrub!
    – Und doch bist Du zurück gekehrt, Bruder! sagte Nadia.
    – Ja, aber ich bin Sibirier, und schon als Kind, wenn ich meinem Vater bei seinen Jagdzügen folgte, gewöhnte ich mich an all diese harten Proben. Als Du, Nadia, mir aber sagtest, daß der Winter Dich nicht zurückgehalten hätte, daß Du abgereist wärest mit dem Vorsatze, gegen das fürchterliche, unwirthbare Klima Sibiriens anzukämpfen, da sah ich Dich schon im Geiste verloren im Schnee niedersinken, um niemals wieder aufzustehen!
    – Wie oft bist Du im Winter durch die Steppe gekommen? fragte die junge Liefländerin.
    – Dreimal, Nadia, wenn ich nach Omsk ging.
    – Und was thatest Du in Omsk?
    – Ich besuchte meine Mutter, welche mich erwartete.

    – Und ich, ich gehe nach Irkutsk, wo mein Vater meiner harrt. Ich will ihm die letzten Worte meiner Mutter bringen! Glaubst Du nun, Bruder, daß mich Nichts hätte zurückhalten können?
    – Du bist ein braves Kind, Nadia, antwortete Michael Strogoff, und Gott würde Dir geholfen haben!«
    Diesen Tag über wurde der Tarantaß durch die bei jedem Relais wechselnden Jemschiks sehr schnell weiter befördert. Die Adler der Berge hätten ihren Namen durch jene »Adler« der Landstraße nicht als entehrt ansehen können. Der hohe Preis für jedes Pferd, die reichlich gespendeten Trinkgelder dienten den Reisenden als ganz besonders wirksame Empfehlung. Den Postmeistern mochte es nach Veröffentlichung jener Verordnung wohl auffallen, daß ein junger Mann nebst seiner Schwester, beide offenbar Russen, dennoch frei durch Sibirien reisen konnten; indeß waren ihre Papiere in Ordnung und gaben ihnen das Recht, zu passiren. So standen denn auch die Kilometer- (Werst-)Pfähle bald im Rücken des Tarantaß.
    Uebrigens waren Michael Strogoff und Nadia nicht die einzigen Reisenden auf der Straße von Perm nach Jekaterinenburg. Schon von den ersten Relais ab hatte der Courier des Czar bemerkt, daß ein Wagen ihm vorausging, ohne sich, da an Pferden kein Mangel eintrat, darüber besondere Sorge zu machen.
    Im Verlaufe dieses Tages ward nur einige Male angehalten, um die nöthigen Mahlzeiten einzunehmen. Die Posthäuser boten Unterkunft und Stärkungsmittel; auch wenn man kein Relais erreicht hätte, wäre das Haus jedes russischen Bauern nicht minder gastlich geöffnet gewesen. In diesen, einander überaus ähnlichen Dörfern mit ihren weißen steinernen Capellen und grünlichen Dächern kann der Reisende wohl an jede Thür klopfen; sie wird sich gewiß öffnen. Dann erscheint der Musik lächelnden Gesichts und giebt seinem Gaste die Hand. Man bietet ihm Brod und Salz an, rückt den, »Samowar« über’s Feuer und er wird sich bald ganz heimisch fühlen. Die Familie würde im Nothfalle das Haus räumen, um ihm Platz zu machen. Der

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