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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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kaiserlichen Brief noch immer unversehrt auf seiner Brust.
    Er athmete auf, noch war er indeß nicht jeder Sorge ledig.
    »Mich begleitete ein junges Mädchen, sagte er.
    – Sie wurde nicht getödtet! antwortete der Musik, der die Unruhe zu beschwichtigen suchte, die aus den Augen seines Pflegebefohlenen leuchtete. In einer Barke haben sie jene entführt, als sie den Irtysch weiter stromab ruderten! Sie ist jetzt eine Gefangene mehr, welche man mit ihren Leidensgefährtinnen nach Tomsk schleppt!«
    Michael Strogoff konnte keine Sylbe erwidern, er preßte seine Hand auf’s Herz, um dessen stürmisches Klopfen zu bewältigen.
    Und doch, trotz aller Prüfungen, beherrschte nur ein Gefühl seine ganze Seele, das Gefühl seiner heiligen Pflicht.
    »Wo bin ich? fragte er.
    – Auf dem rechten Ufer des Irtysch und nur fünf Werst von Omsk entfernt, antwortete ihm der Musik.
    – Was für eine Wunde empfing ich damals, daß sie mich so lange besinnungslos machen konnte? Vielleicht einen Flintenschuß?
    – Nein, einen jetzt vernarbten Lanzenstich am Kopfe, erwiderte der Musik. Nach einigen Tagen der Ruhe, Väterchen, wirst Du, denk’ ich, Deinen Weg fortsetzen können. Du warst in’s Wasser gestürzt. Die Tartaren haben Dich weder berührt noch geplündert; auch Deine Börse steckt noch in Deiner Tasche.«
    Michael Strogoff reichte dem ehrlichen Bauer die Hand. Dann richtete er sich mit einer plötzlichen Anstrengung auf und fragte:
    »Wie lange liege ich schon in Deinem Hause, guter Freund?
    – Seit drei Tagen.
    – Drei ganze Tage verloren!
    – Drei Tage, während der Du bewußtlos dalagst.
    – Kannst Du mir ein Pferd verkaufen?
    – Du willst weiter reisen?
    – Womöglich noch diesen Augenblick.
    – Ich habe weder ein Pferd noch einen Wagen, Väterchen. Wo die Tartaren vorüber zogen, da ist von solchen Dingen nichts übrig geblieben.
    – So werde ich nach Omsk zu Fuß gehen müssen, um dort ein Pferd zu kaufen.
    – Pflege Dich nur noch einige Stunden, dann wirst Du besser im Stande sein, Deinen Weg fortzusetzen.
    – Keine Stunde länger!.
    – So komm, antwortete der Musik, da er einsah, daß er vergeblich dem festen Willen seines Gastes entgegen trat. Ich werde Dir selbst das Geleit geben, fügte er hinzu. Uebrigens befinden sich noch viele Russen in Omsk und vielleicht gelangst Du noch unbemerkt hindurch.
    – Vergelte Dir der Himmel, wackerer Freund, erwiderte Michael Strogoff, lohne er Dir, was Du Alles für mich gethan hast!
    – Eine Belohnung! versetzte der Musik nur die Thoren erwarten eine solche auf der Erde.«
    Michael Strogoff trat aus der Hütte. Als er gehen wollte, übermannte ihn ein so heftiger Schwindel, daß er ohne die hilfreiche Unterstützung des Bauern wohl umgesunken wäre, aber bald stärkte ihn der Genuß der freien Luft sichtlich. Jetzt fühlte er erst die Nachwehen jenes gegen seinen Kopf geführten Stoßes, dessen Heftigkeit seine Pelzmütze glücklicher Weise gebrochen hatte. Bei der bekannten, ihm innewohnenden Energie war er nicht der Mann, sich viel um diese Kleinigkeit zu kümmern. Vor seinen Augen sah er nur das eine Ziel, das entlegene Irkutsk, welches er erreichen mußte! Omsk mußte er deshalb ohne jeden Aufenthalt passiren.
    »Gott schütze meine Mutter und Nadia, murmelte er, jetzt habe ich kein Recht, an Beide zu denken.«
    Michael Strogoff und der Bauer kamen bald in dem Kaufmannsviertel der Unterstadt an, in welche sie trotz der militärischen Besetzung derselben unschwer hineingelangten. Der Erdwall um jene zeigte sich an vielen Stellen zerstört, die ebenso viele Breschen darstellten, durch welche sich die Marodeurs der Armee Feofar-Khan’s eindrängten.
    Im Innern von Omsk, auf den Straßen und Plätzen, wimmelte es von tartarischen Soldaten, aber man konnte dabei doch leicht wahrnehmen, daß eine eiserne Faust sie hier in den Fesseln einer Disciplin hielt, an welche Jene wohl nur wenig gewöhnt waren. Sie liefen auch nie einzeln umher, sondern marschirten in bewaffneten Abtheilungen, um in der Lage zu sein, jeden Angriff abzuwehren.
    Auf dem zu einem Lager umgestalteten und dicht mit Wachposten besetzten Platze bivouakirten gegen 2000 Tartaren in guter Ordnung. An eingerammten Pfählen standen die Pferde angebunden, aber stets in voller Ausrüstung, um beim ersten Befehl zum Aufbruch fertig zu sein. Immerhin bildete Omsk nur einen provisorischen Halteplatz für die Tartarenreiter, welche die reicheren Ebenen Ostsibiriens vorziehen mußten, weil dort die Städte

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