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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bedeutender, die Landschaften fruchtbarer, die Raubzüge also jedenfalls ergiebiger wurden.
    Ueber dem Handelsviertel erhaben thronte die obere Stadt, welche Iwan Ogareff trotz mehrerer stürmischer Angriffe, die immer standhaft abgewiesen worden waren, in seine Gewalt noch nicht hatte bringen können. Von den in Vertheidigungszustand gesetzten Gebäuden flatterten noch immer die Fahnen mit den russischen Farben.
    Nicht ohne einen gewiß berechtigten Stolz begrüßten Michael Strogoff’s und seines Führers Wünsche das wehende Banner.
    Michael Strogoff kannte die Stadt Omsk natürlich vollständig. Während er scheinbar seinem Führer folgte, wußte er doch geschickt die lebhaftesten Straßen zu vermeiden. Das geschah nicht aus Besorgniß, erkannt zu werden. In dieser Stadt hätte nur seine alte Mutter ihn bei seinem wahren Namen rufen können; aber er hatte geschworen, sie nicht zu sehen, er war entschlossen, an seinem Versprechen zu halten. Uebrigens war diese vielleicht – was er von ganzem Herzen wünschte, – nach irgend einem ruhigeren Theil der Steppe entflohen.
    Zum Glück kannte der Musik persönlich einen Postmeister, der es seiner Annahme nach für gute Bezahlung nicht ausschlagen würde, einen Wagen und Pferde entweder zu verleihen oder zu verkaufen. Dann blieb nur noch die Schwierigkeit übrig, die Stadt selbst zu verlassen, wobei die zahlreichen Breschen in der Umwaltung freilich Michael Strogoff’s Entkommen einigermaßen erleichtern mußten.
    Der Musik führte seinen Gast also geraden Weges nach dem Relais, als Michael Strogoff plötzlich in einer engen Straße stehen blieb und sich hinter einem Mauervorsprunge verbarg.
    »Was ist Dir? fragte der Bauer, erstaunt über dieses unerklärliche Benehmen.
    – Still, still!« flüsterte ihm Michael Strogoff hastig zu, indem er noch den Finger auf seine Lippen legte.
    Eben schwenkte eine Abtheilung Tartaren von dem Hauptplatze ab und bog in dieselbe Gasse ein, welche Michael Strogoff und sein Begleiter ganz kurz vorher betreten hatten.
    An der Spitze der aus etwa zwanzig Berittenen bestehenden Schaar trabte ein Officier in sehr einfacher Uniform. Obwohl seine Augen immer von einer Seite zur anderen schweiften, konnte er Michael Strogoff, der seinen Rückzug ebenso schnell als geschickt bewerkstelligte, unmöglich gesehen haben.
    Das Detachement zog in scharfem Trabe durch die enge Straße. Weder der Officier noch seine Leute achteten besonders auf die Bewohner. Die Unglücklichen gewannen kaum Zeit, der Reiterabtheilung genügenden Platz zu machen. Da und dort wurde auch ein halb erstickter Schrei mit einem rücksichtslosen Lanzenstoße beantwortet und der Weg auf diese Weise in kürzester Zeit gesäubert.
    »Wer war dieser Officier?« fragte Michael Strogoff, als die Abtheilung vorüber getrabt war, den Bauer, dem er sich jetzt wieder anschloß.
    Schon als er diese Frage stellte, ward sein Gesicht so bleich, wie das einer Leiche.
    »Das war Iwan Ogareff, antwortete der Sibirier mit leiser Stimme, aus der man einen verhaltenen Haß heraushörte.
    – Er!« rief Michael Strogoff, dem dieses Wort mit einem Accente des Zornes entfuhr, den er nicht zu bemeistern vermochte.
    Er hatte in dem Officier jenen Reisenden wieder erkannt, der ihn auf dem Relais zu Ischim geschlagen hatte.
    Und gleichzeitig, so als ob ihm plötzlich ein Licht aufging, erinnerte ihn dieser Reisende, trotzdem er ihn nur ganz kurze Zeit gesehen hatte, an den alten Zigeuner, von dem er jene Worte auf der Messe in Nishny-Nowgorod vernommen hatte.
    Michael Strogoff täuschte sich nicht. Diese beiden Erscheinungen gehörten nur einer Person an. In der Verkleidung als Zigeuner hatte Iwan Ogareff unter der Truppe der alten Sangarre die Provinz Nishny-Nowgorod zu verlassen gewußt, wo er unter den zahllosen Fremden, welche die Messe nach jener Stadt aus Centralasien heranzieht, Spießgesellen zur Ausführung seines fluchwürdigen Vorhabens gesucht haben mochte. Sangarre nebst der ganzen übrigen Gesellschaft standen nur als Spione in seinem Sold und waren ihm auf Leben und Tod ergeben. Er war es gewesen, der in der Nacht auf dem Meßplatze jene auffallenden Worte gesprochen hatte, deren Sinn Michael Strogoff jetzt erst ordentlich verstand; er reiste damals mit der ganzen Zigeunerbande auf dem Dampfer Kaukasus; er überschritt den Ural jedenfalls auf einem anderen Wege von Kasan nach Ischim und erreichte endlich Omsk, das jetzt unter seinem Befehle seufzte.
    Iwan Ogareff war selbst vor kaum

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