Der Cowboy
Cowboy. Jos Herz kam aus dem Rhythmus. Zum ersten Mal fragte sie sich ernsthaft, ob in dem New Yorker Bankier vielleicht ein Mann schlummerte, der sich an Landleben und Kriechtiere gewöhnen konnte.
Dann rief sie sich in Erinnerung, wie töricht solche Gedanken waren. Auch wenn Quinn gewollt hätte – er konnte
einfach nicht bleiben. Nicht, solange alle ihn für Brian Hastings hielten.
Fred war nicht in Sichtweite. Vermutlich hatte er Quinn die Grundlagen erklärt und ihn dann zum Üben alleine gelassen.
Quinn warf das Seil in die Luft. In einem gekonnten Bogen flog es durch die Luft und legte sich um den Holzpflock, auf den er gezielt hatte.
“Ja!”, schrie er. “Endlich!”
“Netter Wurf, Cowboy”, rief Jo.
Er entdeckte sie, schob den Hut in seinen Nacken und grinste sie an. “Danke, Ma’am.”
Jo schluckte. Gott, sah der Mann gut aus. Fast, als ob er hierher gehörte.
“Ich bringe die Pferde in den Stall, dann kannst du in Ruhe mit Mr Hastings reden”, bot Benny an.
Jo stöhnte auf. Offenbar hatten ihre Bemühungen, Benny alles zu erklären, nicht gefruchtet. “Benny, das da drüben ist Mr Monroe.”
“Er heißt Brian Monroe?”
“Nein, er …” Sie seufzte und beschloss, es gut sein zu lassen. “Egal. Danke, dass du dich um die Pferde kümmerst.” Sie stieg ab und reichte Benny die Zügel.
“Kein Problem, das mache ich doch gern.”
Jo lächelte. “Und deswegen wirst du ein Zuhause auf der
Bar None
haben, solange sie existiert.”
“Ich weiß.” Benny lächelte schüchtern, tippte sich an den Hut und ritt davon.
Alleine schon wegen Benny musste Jo die Ranch unbedingt behalten. Ein neuer Besitzer würde Benny vielleicht feuern, ohne zu bemerken, was für ein goldenes Händchen der junge Mann für Tiere hatte. Und dann war da noch Fred, dessen Arthritis immer schlimmer wurde. Wenn Fred gehen musste, würde auch Emmy Lou die Ranch verlassen. Die Zukunft der drei hing vom Gedeihen der
Bar None
und damit von Jo ab.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Koppel zu. Quinn übte weiter, während das goldene Licht der untergehenden Sonne seinen durchtrainierten Körper aufglühen ließ. All das hier tat er nur für Jo. Seine konzentrierte Haltung verriet ihr, dass er fest entschlossen war, nicht aufzugeben. Wenn es ihr gelang, die Ranch zu erhalten, würde sie das zu großen Teilen Quinn zu verdanken haben.
7. KAPITEL
Quinn liebte es, Jo beim Reiten zu beobachten. Sie hatte sich das Haar mit einem Tuch zurückgebunden und trug einen alten braunen Hut, mit dem sie wie ein echter Wildfang aussah. Sie saß aufrecht und mit vorgestreckten Brüsten im Sattel, während sie sich mit Benny unterhielt.
Der Sattel schien ihr zweites Zuhause zu sein. Vermutlich konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, vom Pferd zu fallen. Er hatte heute Vormittag weiter auf Hyper trainiert und fühlte sich noch immer unsicher. Und das aus guten Gründen: Sein ganzer Körper war übersät mit Blutergüssen.
Während er grübelte, ob er sich im Sattel jemals sicher fühlen würde, studierte er Jos Haltung. Ihre Oberschenkel umklammerten den Sattel, und ihre Hüften schaukelten sanft im Rhythmus der Schritte … als Quinn bemerkte, welche Wege seine Gedanken einschlugen, zwang er sich, woanders hinzusehen.
Mittlerweile wusste er kaum noch, wie er sich zusammenreißen sollte, um nicht über Jo herzufallen. Andererseits war ihm klar, dass er durchhalten musste. Sein Umzug ins Gesindehaus war die einzige Möglichkeit, ihn davon abzuhalten, heute Nacht in Jos Bett zu schleichen. Morgen war schon Samstag. Wenn er das Rodeo und die Tanzveranstaltung hinter sich gebracht hatte, musste er abreisen.
Er versuchte, sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Es war ihm ein absolutes Rätsel, wie er mit dem Lasso diesen Pflock erwischen sollte. Er übte schon seit Stunden, und zwar absolut erfolglos.
Dann kam ihm eine bahnbrechende Idee. Er musste sich einfach vorstellen, dass er keinen Pflock, sondern Jo einfangen wollte! Vor seinem inneren Auge bekam der Pfahl aufregende Kurven und Kaskaden brauner Locken, die im Licht der untergehenden Sonne schimmerten wie dunkles Kupfer.
Quinn atmete tief durch. Jetzt würde er es schaffen. Er schwang das Lasso über seinem Kopf, warf es wie schon tausendmal an diesem Tag in Richtung des Pflocks – und traf!
Als ob das nicht genug des Glücks gewesen wäre, hatte ihn Jo auch noch dabei beobachtet! Quinn war außerordentlich zufrieden mit sich. Trotzdem wusste er, dass er
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