Der Cyberzombie
noch nie geglaubt, daß so eine Existenz auch nur im entferntesten befriedigend sein konnte. Er war ohne ein Wort verschwunden, hatte aber bedauert, sich nicht von ihr verabschieden zu können, um ihr eine Erklärung zu geben.
»Ich werde berichten, was geschehen ist«, sagte Ryan, indem er zum Kopfende des Tisches ging. »Jane, bist du bei uns?«
»Nicht in Fleisch und Blut, aber in der zweitbesten Sache, Quecksilber«, ertönte Janes Stimme über die Zimmerlautsprecher.
»Gut, dann laßt uns anfangen«, sagte Ryan. »Die Zeit ist knapp, und wir haben viel zu besprechen. Zunächst habe ich etwas zu sagen.«
Axler und Grind nickten. Dhin grunzte, und Miranda lugte durch den Dampf, der von ihrem Soykaf aufstieg.
Ryan sah Axler und Grind direkt an. »Ich will euch allen eine Erklärung für mein Verhalten in den letzten Tagen geben. Ich habe zwar die Kontrolle über Assets übernommen, war euch gegenüber aber nicht sonderlich mitteilsam. Ich habe euch ohne große Erklärung ganz schön hart rangenommen. Außerdem war ich ziemlich launisch, und wahrscheinlich hatte es von außen den Anschein, als sei ich kurz davor durchzudrehen. Ich kann verstehen, wenn ihr mich für geistig labil haltet. Ihr könntet sogar der Ansicht sein, daß ich nicht in der Lage bin, dieses Team vernünftig anzuführen.«
Er sah Axler zustimmend nicken.
»Es gibt eine Erklärung für mein sonderbares Verhalten, und die werde ich euch mitteilen. Ich weiß, daß ich nicht mit jemandem Zusammenarbeiten könnte, den ich für eine Last hielte.«
Axlers Blick wurde weicher. »Wir halten dich nicht für eine Last, Ryan. Aber du bist nicht mehr du selbst, seit wir dich aus dieser Klinik herausgeholt haben. Du hast ein paar schlechte Entscheidungen getroffen, Ent- Scheidungen, wie du sie vor drei Monaten nicht gefällt hättest. Das bereitet uns Kopfzerbrechen.«
Ryan holte tief Luft. »Als ich in dieser Delta-Klinik in Panama war, hat man versucht, mein Gedächtnis zu löschen und mir eine andere Persönlichkeit aufzupfropfen. Habt ihr je von dem größenwahnsinnigen Thomas Roxborough gehört, dem ein großes Stück von Aztechnology gehört? Es war sein Verstand, den sie mir aufpfropfen wollten. Ihr habt mich gerade noch rechtzeitig befreit, aber mein Gedächtnis war praktisch ausgelöscht, und es gab eine Zeit der Anpassung, die ziemlich verwirrend war. Es war so, als hätte ich keine Kontrolle über das, was ich tat, obwohl ich wußte, daß es falsch war. Könnt ihr das verstehen?«
Miranda stieß einen leisen Pfiff aus. »Aztechnology ist einer der skrupelloseren Konzerne, und Roxborough steht in dem Ruf, äußerst rücksichtslos zu sein. Das ist ziemlich massiver Drek.«
Ryan lächelte dünn. »Gelinde gesagt. Aber jetzt sind die Dinge anders. Roxborough ist noch bei mir, aber Quecksilber ist obenauf.«
Axler runzelte die Stirn. »Wie können wir dessen sicher sein? Du hast Jane und mir die Führung aus den Händen genommen. Das hätte der alte Ryan nicht getan. Assets lief glatt, bevor du deine Verbesserungen durchgesetzt hast.«
Jane meldete sich über Lautsprecher. »Ich muß Axler zustimmen, Quecksilber. Insbesondere lehne ich meine gegenwärtige Rolle im Team ab. Ich gehöre offiziell nicht Assets an, aber ich habe immer die Kontrolle über Runs gehabt, an denen ich teilgenommen habe. Von hier aus meiner Box mit meinem virtuellen Zugriff auf alle Daten ist es viel leichter für mich, mir ein vollständiges Bild von den Vorgängen zu machen, als dies jemandem vor Ort möglich ist.«
»Jane, ich...«
»Ich bekomme Inputs von allen Runnern plus Ma trixdaten. Ich kann Entscheidungen auf der Grundlage viel umfassenderer Informationen und noch dazu viel schneller treffen.«
»Jane, ich weiß deine Fähigkeiten zu schätzen und werde sie nötiger denn je brauchen. Insbesondere bei den nächsten Runs. Aber ich werde dieses Team anführen. Ich habe eine Gefechtsausbildung, die ihr nicht habt, und ich weigere mich, die Verantwortung zu delegieren.« Ryan wandte sich an Axler. »Ich will, daß du mein Stellvertreter wirst, und ich brauche deinen Rat. Ich weiß, daß es schwer wird, sich umzugewöhnen, aber auf lange Sicht glaube ich, daß sich die Dinge dadurch verbessern werden.«
Stille trat ein, nachdem Ryan geendet hatte.
»Okay«, fuhr Ryan fort, »niemand muß bleiben, der mit dieser Regelung nicht einverstanden ist. Ihr habt jetzt alle die Gelegenheit, aus Assets auszusteigen, wenn ihr wollt. Jeder, der glaubt, daß ich ihn
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