Der Cyberzombie
frische Blutperlen auf seiner blassen, kränklich aussehenden Haut bildeten.
Er sah ihr in die Augen und musterte sie einen Moment lang, und Lucero geriet plötzlich in Panik. Er weiß es! dachte sie. Er muß es wissen! Ich bin der Grund, warum er so schwer kämpfen muß. Jetzt hat er mir in die Augen gesehen und meine Liebe für die Musik und mein Verlangen nach dem Licht entdeckt.
Er sieht, daß meine Seele grau geworden ist.
Oscuro lächelte. »Hilf mir auf, Kind. Ich weiß, daß du aufgrund des heiklen Gleichgewichts, das du zu wahren hast, bei den Opferungen nicht helfen kannst, aber das heißt nicht, daß du deinem Herrn nicht auf die Beine helfen kannst.«
Lucero nahm all ihren Mut zusammen und ging zu dem bärtigen Mann.
Er streckte eine blutige Hand aus, und sie nahm sie mit einem Schaudern und zog.
Oscuro stand auf und hielt ihre Hand fest. Auge in Auge wurde Lucero sich plötzlich des Blutgeruchs bewußt, des lieblichen Duftes ihrer Sucht. Sie leckte sich nervös die Lippen, als ihr Hunger stärker wurde.
Plötzlich bildete sich ein Lächeln auf Oscuros Gesicht - ein Lächeln voller Freundlichkeit und Anteilnahme. Luceros Furcht ließ nach, und sie konnte nicht begreifen, wie sie für diesen erstaunlichen Mann jemals hatte Mitleid empfinden können.
»Meine Kleine, du hast so viel ertragen und so viel für mich erreicht. Du bist eine wahrhaft bemerkenswerte Dienerin.«
Sie neigte den Kopf. »Vielen Dank, Gebieter.«
Seine blutige Hand glitt unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an, so daß sie ihm in die Augen schaute.
Für sie nahm er das Aussehen von etwas gefährlich Schönem an. Das Blut, das ihn bedeckte, lockte sie, und plötzlich stellte sie fest, daß sie sich wünschte, sie könnte ihn küssen, ihm das Blut vom Gesicht und von den Händen lecken.
Die Musik wurde lauter.
Nein! dachte sie. Ich werde der Versuchung des Blutes widerstehen.
Schmerzen flackerten über Oscuros Gesicht, und er wich einen Schritt vor ihr zurück.
Lucero schaute an sich herab und konnte das matte Leuchten sehen, das aus ihr kam. Sie erhellte den Kreis!
Das matte Leuchten drang nach außen und trieb Oscuro von ihr weg. Der Ausdruck des Schmerzes auf seinem Gesicht wich einem der Entschlossenheit. »Ich muß jetzt gehen.«
Sie war erfüllt Ehrfurcht vor dem, was mit ihr geschah. Die Musik wurde für sie immer lauter, bis Oscuro schreien mußte, um sich verständlich zu machen.
»Du wirst mit mir kommen.«
Ihre Stimme brach, als sie sagte: »Warum?«
Er zwang sich zu einem Lächeln. »Dein Geist ist stark, aber das Gleichgewicht ist gestört. Es ist dir nicht gestattet, ins Licht zu treten. Es würde dich vernichten.« Er war jetzt fast bis zu den aufgestapelten Leichen am Rand des dunklen Kreises zurückgewichen.
Dann, gerade in dem Augenblick, als Luceros matter Schein den Rand des dunklen Kreises erreichte, beschrieb Oscuro eine Geste in der Luft. Eine beiläufige Geste, die eine Röhre aus der Welt machte. Die Röhre sog sie auf und in einen Strom der Dunkelheit.
Hinter ihr überschwemmten die Musik und das Licht den dunklen Kreis und reinigten ihn. Brannten seinen Schmutz mit Schönheit und perfekter Harmonie aus. Tauchten ihn in ein strahlendes Reinweiß.
Doch sie war zu weit entfernt, um das Licht zu berühren und die Musik zu hören. Sie wurde von dem dunklen Strom mitgerissen und schrie. Und sie schrie immer noch, als ihr Geist wieder in ihren Körper fuhr.
21
In dem kalten Regen sah Ryan, wie Miranda fiel. Der Bär-Mann schmetterte sie auf sein Knie, und das Knacken ihres Rückgrats hallte über die Lichtung.
Mirandas Schrei enthielt einen Unterton äußerster Qual, und für einen Augenblick wurde die graue Welt rings um Ryan völlig still. Er spürte Regen auf seinem Gesicht und Schmerzen in Schulter und Eingeweiden, aber all das schien sehr weit entfernt zu sein.
Mirandas zweiter Schrei brachte alles wieder ins Bewußtsein, riß Ryan wieder in die Realität zurück. Seine Sinne schalteten einen Gang hoch, und seine Reflexe waren so angespannt wie Monodraht. Er lief auf den Bär-Mann zu und wich dabei dem Naturgeist mühelos aus.
Als er freies Schußfeld hatte, gab Ryan einen Feuerstoß aus seiner Ingram ab und bereitete sich auf die letzten Meter vor.
Keine Geister manifestierten sich, um den Kugelhagel abzuwehren, und der Mann fiel förmlich auseinander, explodierte in einem roten Sprühregen, der die Bäume färbte. Der Bär-Mann drehte sich zu Ryan um, hatte es aber erst zur Hälfte
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