Der Dämon aus dem grünen See
Also hatte er es geschafft: Er war das Wesen los.
Mühsam richtete sich David auf. „Du weißt, dass ich tot bin.“
Cassie schossen Tränen in die Augen. „Sag das nicht! Du bist frei.“
„Richtig, er hat mich verlassen. Dass ich noch lebe, liegt nur daran, dass noch Reste von ihm in meinen Zellen sind. Aber selbst für ihn ist es zu wenig. Bald wird es vorbei sein.“
„Das darfst du nicht sagen! Du kannst es schaffen!“
David schüttelte den Kopf. „Cassie! Hör auf damit. Es steht zu viel auf dem Spiel. Die ganze Stadt ist in Gefahr, vor allem aber du. So kann ich nichts gegen ihn ausrichten. Gib mir bitte das Wasser.“
„Und was passiert dann?“
„Ich weiß es nicht genau. Aber ich hoffe, es gibt mir genug Kraft, um das Schlimmste zu verhindern.“
„Und wenn er dich nicht lässt? Wie kannst du ihn in dir haben und gleichzeitig gegen ihn kämpfen?“
„Ich kämpfe seit elf Jahren gegen ihn. Und glaub mir, ich werde ihn nicht gewinnen lassen.“
„Da ist noch was …“, setzte sie an.
„Bitte gib mir das Wasser“, stöhnte er.
„Marc hat auch davon getrunken“, platzte sie heraus. „Und er ist ganz begeistert von seinem neuen Freund.“
David schloss die Augen. „Verdammt. So was habe ich befürchtet. Das macht es umso schlimmer. Aber in diesem Zustand kann ich überhaupt nichts tun. Ich schaffe es kaum noch, die Augen offen zu halten. Bitte …“
Tatsächlich spürte Cassie seine Hand in ihrer immer kälter werden, und er atmete immer flacher.
„Ich habe Angst“, sagte sie leise. „Du bist so schwach. Wenn er dich in seine Macht bekommt …“
„Sieh mich an“, verlangte er und drückte schwach ihre Hand.
Cassie gehorchte. In dem eingefallenen Gesicht wirkten seine Augen übergroß, und selbst im Licht der Straßenlaternen waren sie so eisblau und klar wie der Winterhimmel.
„Ich liebe dich“, stieß er hervor. „ Ich liebe dich. Verstehst du? Damit hat er nichts zu tun. Und ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.“
„Ich liebe dich auch“, erwiderte sie. Sie war sich nicht sicher, welche Art von Liebe sie damit meinte, aber auf jeden Fall musste David das jetzt hören. Dann griff sie in ihre Tasche, zog die Flasche heraus, schraubte sie auf und reichte sie ihm.
Er war schon fast zu schwach, um sie zu halten, obwohl sie nur noch zwei Fingerbreit Wasser enthielt. Cassie legte ihm den Arm um die Schultern und versuchte, ihm zu helfen, doch ihre Hände zitterten zu sehr. Er konnte die Flasche nicht an den Mund setzen.
„Ich kann das nicht“, flüsterte sie. „Ich habe das Gefühl, dich umzubringen.“
„Ich bin doch schon tot“, gab er zurück. „Aber es ist okay, ich schaffe es jetzt. Geh zu deinen Freunden, ich komme gleich nach.“
„Nein!“
„Das wird kein schöner Anblick. Tu dir das nicht an.“
„Ich lasse dich nicht allein.“
David zuckte die Achseln und setzte die Flasche an. „Okay. Also dann.“
Er trank das restliche Wasser in einem Zug aus und ließ sich dann zurücksinken. Unsicher, was sie zu erwarten hatte, hielt Cassie wieder seine Hand. Nach ein paar Sekunden begann David, sich wie in Krämpfen zu winden. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und er stöhnte. Dann veränderte sich das Bild, und Cassie unterdrückte einen Aufschrei. Es sah aus, als würden sich Tausende von winzigen Maden unter Davids Haut winden, und einen grauenvollen Moment lang fürchtete sie, sie würden die Haut einfach durchbrechen. Entsetzt schloss sie die Augen, während David keuchend ihre Hand umklammerte.
Und dann war es vorbei. Cassie spürte es, bevor sie es sah, denn sie hatte auf einmal den heftigen Impuls, sich in Davids Arme zu werfen. Als sie die Augen öffnete, sah David so aus wie an dem Tag, als sie ihn kennengelernt hatte: braun gebrannt, fit, unglaublich attraktiv.
Er schaute sie an, und alles, was sie wollte, war, mit ihm eins zu werden.
„Und jetzt?“, fragte sie.
Wenn er die doppelte Bedeutung ihrer Frage überhaupt mitbekam, ging er nicht darauf ein. „Habt ihr rausgefunden, wo das Abwasser hinfließt? Wir müssen so schnell wie möglich da hin.“
„In die Kläranlage in der Embarcadero Street“, erwiderte sie. „Aber … bitte warte kurz.“
Ihre Blicke trafen sich, und sie beugte sie sich vor, um ihm näher zu sein.
„Ignorier es“, flehte er, als spüre er genau, was in ihr vorging. „Das bist nicht du. Das kommt von ihm.“
„Aber was soll das?“, flüsterte sie. „Was will er denn von
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