Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
ein paar Minuten Zeit, sich ins Schlafzelt zu begeben, um endlich etwas zu finden, was er Nessy überreichen könnte. Auch Charly und Otto nutzten die zusätzliche Pause und trollten sich zurück zum Zelt. Nur Rippenbiest verblieb im großen Pavillon und fragte Herrn Schlemil, ob er auch Polierwatte von ausreichender Qualität in seinem Verkaufszelt anböte.
„Das einzige, was ich von zu Hause mitnehmen konnte, ist mein altersschwacher Fußball“, maulte Ben.
„Ist doch klasse“, erwiderte Charly. „Wenn du ihn Nessy gibst, solltest du aber dafür sorgen, dass sie uns den Ball trotzdem noch zum abendlichen Spielen überlässt.“
„Genau. Außerdem stehen Frauen auf praktische Geschenke. Mein Vater schenkt meiner Mutter zu jedem Hochzeitstag zehn Kilo fangfrischen Kabeljau“, steuerte Otto der Unterhaltung bei und drehte noch eine kleine Runde in seiner Wassertonne.
„Ihr seid mir ja tolle Hilfen. Aber was soll's? Nessy kriegt den Ball, und ich bin meine Spielschulden los.“
„Sei froh, dass du so glimpflich davonkommst. Gib ihr den Ball, und sie lässt dich in Ruhe. Aber wenn ich aus dem Zelt gehe, hängt mit diese Lisa gleich wieder am Rockzipfel. Wollt ihr sie nicht haben?“
„Bestimmt nicht, Charly“, antwortete Ben und versuchte, mit seinem Handtuch den gröbsten Schmutz von dem alten Fußball zu entfernen. „Mädchen sind irgendwie nicht mein Ding.“
„Da hast du Recht“, sagte Otto, bevor er erneut untertauchte. „Ich werde niemals heiraten. Vor allem, weil die Festlandkalmarfrauen auf sage und schreibe acht Eheringen bestehen. Wer soll das denn bezahlen? Also lasst mich mit Mädchen bloß in Frieden.“
„Obwohl Nessy nicht unbedingt wie ein Mädchen rüberkommt. Eigentlich ist sie ganz cool“, meinte Charly.
„Lass das ja nicht deine Lisa hören. Die wird dann gleich eifersüchtig“, stichelte Ben.
„Das ist nicht meine Lisa. Die ist mir bloß zugelaufen. Und hüte deine Zunge, sonst schneide ich sie dir mit Rippenbiests Axt aus dem Mund!“
„Wenn du Rippes Axt auch nur berührst, nimmt dich der Taure auseinander, dass die Hören und Sehen vergeht“, entgegnete Ben lapidar.
Beide Jungs lachten und machten sich wieder auf den Weg zum großen Pavillon. Otto hüpfte aus seinem Fass und folgte ihnen, wobei er die ein oder andere Wasserpfütze auf dem Weg hinterließ.
An diesem Montag Nachmittag stellte sich den Auserwählten nun der fünfte und letzte Gelehrte dieses Semesters näher vor: Herr Dieter, der unrasierte Albert-Einstein-Doppelgänger mit wirrem grauem Haarschopf und mit randloser Brille auf der Nase. Auch er hatte seine Lehrbücher bereits verteilt. Mindestens genauso dick wie die ersten drei und mit vielen Farbfotos und Zeichnungen von allerlei exotischen Lebensformen darin. Titel des Werks war Die Völker des Nichts – Eine reichlich unvollständige Enzyklopädie der mehr oder weniger vernunftbegabten Kreaturen mit und ohne Wirbelsäule. Ein Titelmotiv gab es freilich nicht, da schon der Buchtitel allein das gesamte Cover für sich beanspruchte. Unvollständig deshalb, so erklärte Herr Dieter, weil nahezu täglich in irgendeiner weit entfernten Ecke des Nichts ein neues, meist sehr seltsames Volk entdeckt wurde. Einmal im Jahr würde das Buch daher in neuer, überarbeiteter Auflage erscheinen. Auf den Fotos und Abbildungen darin waren wirklich sehr interessante Wesen zu sehen. Charly wollte gar nicht mehr aufhören, darin zu blättern und war mehr als entzückt, als er zum Beispiel unter dem Buchstaben O seine heißgeliebten Oger fand.
„Ich bin kein großer Vorleser“, sagte Herr Dieter und suchte verzweifelt nach seiner Brille.
„Auf ihrer Nase“, piepste Elmar.
„Ah, ja. Danke, lieber Helmar. Wo war ich stehen geblieben? Richtig: Also, ich bin kein großer Vorleser, auch mit Brille nicht. Lieber gestalte ich den Unterricht als eine Art von Fragestunde. Ich möchte herausfinden, was ihr schon wisst und was nicht.“
„Entschuldigung, Herr Dieter“, meinte Ben und schien recht unglücklich zu sein. „Einige von uns kommen von der Erde und wissen quasi gar nichts über die Völker des Nichts.“
„Das macht gar nichts. Hört einfach den anderen gut zu und steckt von Zeit zu Zeit eure Nasen ins Buch. Dann seid ihr bald genauso weit wie die Einheimischen hier. Und keine Sorge, Ken, bevor es die ersten Prüfungen gibt, kennst du ebensoviele Wesen des Nichts wie alle anderen auch.“
Ben war halbwegs beruhigt und folgte aufmerksam dem
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